Teamarbeit in der Medizin heißt nicht, dass jeder nur die Ergebnisse des ersten Arztes abnickt. Trotzdem ist es oft so – wie ich bei meiner Patientin nach einer Sono mal wieder feststellen musste.
Es wird immer deutlicher, dass Medizin ein Teamsport ist – man arbeitet nicht allein auf weiter Flur, sondern ist idealerweise vernetzt. Dann klappt es in der hausärztlichen Praxis nicht nur intern gut, sondern auch mit anderen Fachdisziplinen. Ich muss sagen, dass ich die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Disziplinen sehr genieße und als absolute Bereicherung für mein ärztliches Arbeiten empfinde. Leider gibt es aber auch beim Thema Team-Arbeit Schwierigkeiten.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Patientin bekommt wegen rezidivierender Oberbauchschmerzen eine Abdomensonographie. Grundsätzlich hatte ich von der Beschreibung her zwar eher das Gefühl, dass es Richtung funktioneller Beschwerden/Reizmagen/Reizdarm geht, aber für mich gehört eine einmalige vollständige Abklärung (u. a. mit Sono Abdomen und Labor) einfach dazu. Dabei fiel in der Leber eine ca. 2,5 cm große Raumforderung auf, die ich nicht eindeutig zuordnen konnte. Etwas Randsaum, definitiv kein klassisches Hämangiom, somit erst einmal gerade in Kombination mit den Bauchschmerzen verdächtig.
Ich bot der Patientin eine ambulante Abklärung an, aber sie bat um Einweisung, weil sie als Angstpatientin es nur schlecht aushält, längere Zeit zu warten, bis wir den Termin für das MRT Oberbauch oder ein ambulantes Kontrastmittelsono bekommen. Ich rief daraufhin im Krankenhaus an und erläuterte den Befund – Bauchschmerzen einerseits, andererseits diesen Leberrundherd, der nicht eindeutig sonographisch zugeordnet war.
Ein paar Tage später saß die Patientin wieder vor mir, samt Entlassungsbrief, sichtlich erleichtert, sie habe „nur einen Reizdarm und Blutschwämmchen in der Leber“. Ich war natürlich auch erleichtert, stutzte aber, als ich den Entlassungsbrief las: Im Sono stand etwas von „5 und 7 mm großen Hämangiomen, wie im CT beschrieben“, im CT stand „wie im Vor-CT aus 2019 zwei kleine Hämangiome“. Mit einigem Suchen fand ich den alten CT-Befund, in dem ebenfalls von kleinen, max. 7 mm großen Hämangiomen die Rede war. Moment mal – ich hatte doch 2,5 cm gemessen! Lag ich da jetzt völlig falsch? Gleichzeitig wollte ich die Patientin nicht beunruhigen, besprach also mit ihr, dass ich noch Rückfragen hätte, die ich mit dem Chefarzt gern klären würde. Aber es sei doch erstmal schön, dass wir das so schnell klären konnten.
Ich hab daraufhin den Chefarzt kontaktiert (mit Übersendung unserer Sonobilder) und gefragt, wie das denn sein könne. Ich war mir doch sicher, dass ich mich nicht völlig vermessen hatte, aber von einer Raumforderung in der Größe war gar keine Rede mehr. Er rief mich zurück und meinte, ich habe völlig Recht, er habe mit dem Radiologen die CT-Bilder nochmal angesehen und diese Raumforderung sei auch sichtbar, a. e. ein atypisches Hämangiom und sogar schon im CT von 2019 zu erkennen (aber fraglich wegen der Gutartigkeit nicht beschrieben worden?). Das hatte ich schon mal bei einem Leberhämangiom (in einer anderen radiologischen Praxis), finde es aber immer wieder irritierend. Ich dachte immer, es würden in einem (radiologischen oder sonstigen) Befund alle Dinge beschrieben, die auffallen, auch wenn sie sicher gutartig sind – um genau solche Missverständnisse zu vermeiden.
Als ich dann nochmal konkret auf das Sono ansprach, meinte er, die Dame sei 2 x sonographiert worden (einmal vor, einmal nach dem CT), aber in keinem der Befunde stehe eine 2,5 cm Raumforderung – nur beim zweiten seien die im CT beschriebenen Hämangiome erwähnt. Ich bin auch ganz mit ihm einer Meinung, dass „er ja nicht alle Sonographien selbst machen könne“ (aber dann müssten die Assistenten dringend geschult werden). Doch sein anderes Argument machte mich stutzig: „Wenn das im CT schon nicht beschrieben ist, wie sollen wir das denn im Sono sehen?“
Mir ist das inzwischen mehrfach begegnet: Wenn im CT-Befund etwas nichtdrin steht, kann es für manche Kollegen per definitionem im Sono auch nicht zu sehen sein (was ja in diesem Fall dadurch widerlegt wird, dass ich es im Sono gesehen HATTE). Außerdem offenbart sich eine gefährliche Version der „TEAM“-Arbeit: Toll, ein anderer macht’s!
Ich sehe das schon anders: MEINE Untersuchung ist MEINE Verantwortung. Das ist mein Teil der Team-Arbeit, und mein Team verdient es, dass ich meinen Job ordentlich mache. Sonst bin ich nur Mitläufer und trage nichts zum Team bei. Das heißt für mich oft, dass ich erstmal mein Sono mache und dann noch schnell mit Vorbefunden (soweit vorhanden) abgleiche, um sicherzugehen, dass ich nichts übersehen habe und alle kontrollbedürftigen Befunde auch kontrolliert sind. Ich mache diese Gegenkontrolle bewusst erst NACH meiner Untersuchung, damit ich nicht zu voreingenommen in die Untersuchung gehe (und als Qualitätskontrolle meiner Untersuchung). Ein „mal eben schnelles Abgleichen“ mit Vorbefunden wäre definitiv schneller, ist aber fehleranfälliger, weil niemand mehr genau schaut, wenn der erste etwas übersehen hat.
Anders kann ich mir nicht erklären, dass in so vielen Untersuchungen angeblich eine 2,5 cm Raumforderung (die auf der Einweisung stand!) ungesehen bleibt bzw. sie erst gesehen wird, wenn ich als Hausarzt nochmal darauf hinweise. Und gerade bei der Leber muss man sagen, dass die Sonographie oft dem CT überlegen ist, meiner Erfahrung nach. Wenn überhaupt, dann ist das MRT ähnlich sensitiv, was Veränderungen angeht, aber da ist es natürlich häufiger schwierig mit Verfügbarkeit etc.
Für mich bleibt als Fazit dieses Erlebnisses ein etwas fader Beigeschmack der neuen Team-Arbeit: Klar, es ist toll, wenn man zusammenarbeitet, damit nicht jeder alles alleine machen muss. Dafür muss ich mich aber auf mein Team verlassen können. Das heißt, dass jeder SEINE Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erledigt und man DANN überlegt, ob alles zusammenpasst. Man kann ja auch etwas mal falsch einschätzen oder übersehen – wir sind alle nur Menschen. Aber dass einer der Teamplayer seinen Job so versteht, dass er das Ergebnis des anderen nur abnickt (das zweite Sono als Bestätigung des CT) ist meiner Meinung nach schwierig. Denn das ist keine Qualitätskontrolle und wird unseren Patienten nicht gerecht.
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