Im Gespräch mit Patienten sollten Ärzte vor allem eines tun: zuhören. Das klingt einfach, kommt in der Praxis aber oft zu kurz. Was Mediziner in Sachen Kommunikation noch lernen müssen.
„Wie geht’s uns denn heute?“ – schlechte Witze zur Arzt-Patienten-Kommunikation gibt es viele. Doch ganz so falsch scheint der schräge Humor nicht zu sein. Studien zeigen, dass sich Patienten von Ärzten teilweise nicht ernst genommen fühlen oder dass sich Ärzte zu wenig Zeit nehmen. Solche Probleme gibt es in vielen europäischen Staaten. Doch bleiben wir bei Deutschland.
Seit ewigen Zeiten kursiert das Gerücht, schlechte Kommunikation hänge vor allem mit fehlender Zeit und mit einer steigenden Arbeitsbelastung zusammen: ein Trugschluss, wie Prof. Ulrich Schwantes vom Hausärzteverband Brandenburg schon vor Jahren zu bedenken gab.
Demnach sprechen Patienten rund 90 Sekunden mit ihrem Arzt, falls man sie nicht unterbricht. Nur wenige Dialoge waren länger als 150 Sekunden, wie eine Auswertung von 500 Gesprächen gezeigt hat. Vielen Ärzten fehlt selbst dafür aber wohl die Geduld. Denn Schwantes zufolge würden sie Patienten bereits nach 10 bis 20 Sekunden solcher Ausführungen unterbrechen. Sie selbst verschätzen sich grob und gaben subjektiv eine um 900 Prozent höhere Zeit an, die sie vermeintlich mit Erklärungen verbracht hätten. Natürlich ist die Stichprobe klein. Sie zeigt aber, dass der Zeitfaktor überbewertet wird.
Effizient Zeit sparen lässt sich auf ganz andere Weise, nämlich durch eine geschickte Wortwahl. Das berichten Forscher der Freien Universität Berlin und der Universität Witten/Herdecke. Ein Beispiel: Das Wort „positiv“ ist im alltäglichen Sprachgebrauch eben positiv – also gut – konnotiert. Geht es um das Ergebnis von SARS-CoV-2- oder um HIV-Tests, hat der Begriff plötzlich eine negative Bedeutung. Und ob positive Schwangerschaftstests zu Freudenschreien Anlass geben, hängt von den Beteiligten und deren Situation ab.
Deshalb haben die Wissenschaftler ein Experiment gewagt. An der Untersuchung nahmen 1.131 Probanden teil, die Deutschlands Bevölkerung repräsentativ abbilden. Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass schon geringfügige Veränderungen zu verständlicheren Gesprächen führen. In den Gesprächen ersetzten sie „positiv“ durch „auffällig“ und „negativ“ durch „unauffällig“. Allein dadurch erhöhte sich die Verständlichkeit immens; ähnliche Beispiele gibt es viele. Sie zeigen, dass sinnvolle Maßnahmen nicht immer zeitaufwändig sind.
Schwierige Gespräche dieser Art sind bei Onkologen an der Tagesordnung – ein Thema, das die Universität Düsseldorf gerade erforscht. Die Ausgangslage: 22 Prozent aller im Rahmen einer Studie Befragten kritisieren unverständliche Antworten bei Rückfragen. Und 29 Prozent tun sich schwer, Laborbefunde oder sonstige Untersuchungsergebnisse zu verstehen. Fast 70 Prozent kommen wegen eines OP-Termins in die Klink, ohne verstanden zu haben, dass sie an einem bösartigen Tumor erkrankt sind und deshalb unters Messer kommen. Das überrascht, ist aber sicher kein Einzelfall.
Ziel der Untersuchung ist, herauszufinden, ob bessere Kommunikation die Angst von Krebspatienten verringern kann. Eine wichtige Erkenntnis aus der Studie, die gerade ausgewertet wird: Ärzte sollten Klartext reden, möglichst einfach, aber unverblümt. Besser ist, Informationen wohl dosiert zu geben, das Wichtigste am Anfang, und dann nachzufragen, ob Patienten alles verstanden haben. Denn bei der Diagnose „Krebs“ machen viele schnell dicht.
Auch hier lassen Forscher das Totschlag-Argument, es fehle Zeit, nicht gelten. Weiterbildungsmodule zur Kommunikation werden in den Arbeitsalltag integriert; sie finden während der normalen Dienstzeiten statt.
Dabei darf man eine Sache nicht vergessen: Medizinische Aufklärung ist unbedingt erforderlich, gilt aber als Haupt-Verursacher des Nocebo-Effekts bei Behandlungen generell und speziell bei Pharmakotherapien. Allein das Gespräch über Schattenseiten kann zu unerwünschten Effekten führen. Einfach nicht aufzuklären wäre aber die falsche Antwort; die Frage ist nur, wie Ärzte vorgehen sollten. Schönreden oder Lügen ist genauso verwerflich, mitunter strafbar.
Auch hier macht ehrliche, aber durchdachte Kommunikation den Unterschied. Berichten Ärzte etwa, neun von zehn Patienten hätten das Medikament gut vertragen, führt das zu weniger Nocebo-Effekten als die Aussage, bei einem von zehn Patienten seien Nebenwirkungen aufgetreten. Geht es um bestimme Effekte, etwa Muskelschwächungen, die genannt werden müssen, gibt es auch einen Trick: Positive Aspekte der Therapie sind vorrangig zu nennen.
Auch das Gehirn spielt uns mitunter Streiche. Erklärt der Arzt, Patienten bräuchten – etwa vor einer OP – „keine Angst“ zu haben und er Eingriff sei „ohne Gefahr“, speichert das Gehirn nur die Signalwörter „Angst“ plus „Gefahr“. Solche Redewendungen sollten tunlichst vermieden werden.
Die Überlegungen zeigen, dass gute Kommunikation kein Zeitfresser ist, sondern im Gegenteil sogar dabei helfen, Ressourcen effizient einzusetzen. Nicht jeder Dialog ist kompliziert. Für Standardsituationen rät etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung, im ersten Schritt Patienten einfach zuzuhören. Dann liegt es am Arzt, Maßnahmen vorzuschlagen und zu priorisieren. Im letzten Schritt werden wichtige Punkte zusammengefasst, etwa anstehende Untersuchungen. Diese Grobstruktur trägt dazu bei, dass gute Kommunikation gelingt.
Bildquelle: Elena Koycheva, unsplash