Über die Bestimmung von Mikro-RNA im Blut lässt sich das Risiko für Darmkrebs besser vorhersagen als mit herkömmlichen Methoden – das zeigt eine aktuelle Studie. Die Ergebnisse helfen, Darmkrebsvorsorge effektiver einzusetzen.
Darmkrebs kann weit besser als andere Krebsarten durch konsequente Früherkennung verhütet werden. Mit der Vorsorge-Darmspiegelung steht bisher eine gute Technik zur Verfügung, Tumoren frühzeitig zu identifizieren. Dennoch: „Die Darmkrebs-Vorsorge könnte möglicherweise viel effektiver und gezielter eingesetzt werden, wenn wir die Möglichkeit hätten, das persönliche Erkrankungsrisiko mit einem Biomarker einzuschätzen", sagt Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum.
Zur Risikoeinschätzung stehen bereits genetische sowie Lebensstil-basierte Risikoprofile zur Verfügung, deren Vorhersagekraft allerdings bislang begrenzt war. Ein Team um Brenner hat nun ein neues, vielversprechendes Verfahren publiziert, mit dem das individuelle Erkrankungsrisiko einer Person genauer als bislang ermittelt werden konnte. Die Methode basiert auf der Messung so genannter Mikro-RNAs im Blutserum.
Mikro-RNAs, kurz miRNAs, bestehen aus nur 20 bis 25 Nukleotidbausteinen. Sie enthalten keinen Bauplan für Proteine, sondern steuern eine Vielzahl an Zellfunktionen. Viele miRNAs werden ins Blut abgegeben und kontrollieren zelluläre Prozesse, die die Krebsentstehung beeinflussen. Daher wird derzeit intensiv untersucht, ob bestimmte miRNA-Expressionsmuster mit dem Auftreten bestimmter Krebsarten in Verbindung stehen und damit sogar eine Vorhersage des Erkrankungsrisikos ermöglichen können.
Ein Forscherteam um Brenner konnte nun aus mehreren Kandidaten ein Panel von sieben miRNAs identifizieren, das eng mit dem Auftreten von Darmkrebs korreliert. Die Forschenden prüften dazu die Moleküle im Serum von Teilnehmenden einer großen Längsschnittstudie, bei der 198 von 10.000 Personen innerhalb von 14 Jahren nach der Blutentnahme an Darmkrebs erkrankt waren.
Durch den Vergleich mit krebsfreien Teilnehmern konnte ein Risikoscore ermittelt werden, der am engsten mit dem Auftreten von Darmkrebs in Beziehung stand.
Die Forscher verglichen das neue Verfahren mit dem bisher aussagekräftigsten genetischen Risikoscore, der auf 140 so genannten Einzelnukleotid-Polymorphismen basiert, sowie mit einem Lebensstil-basierten Risikoprofil, das unter anderem Rauchverhalten, Körpergewicht oder den Grad der körperlichen Aktivität berücksichtigt. Dabei zeigte sich, dass das miRNA Panel das individuelle Erkrankungsrisiko weitaus besser voraussagen konnte als die beiden anderen Verfahren.
So hatten Studienteilnehmer mit den höchsten Werten des miRNA Risikokoscores ein etwa 20-fach höheres Risiko im Vergleich zu Personen mit den niedrigsten Werten. Für den genetischen Risikoscore ergab sich bei einem entsprechenden Vergleich ein deutlich geringerer, nur etwa vierfacher Unterschied.
„Die besondere Stärke unserer Studie ist die lange Laufzeit von inzwischen 14 Jahren“, sagt Janhavi Raut, Erstautorin. „Die Blutproben der Teilnehmer wurden bereits viele Jahre vor der Darmkrebs-Diagnose gewonnen. Unsere Daten zeigen, dass die Änderungen im miRNA-Profil der Erkrankung um Jahre vorausgehen können.“
Studienleiter Brenner resümiert: „Das miRNA-Panel ist eine vielversprechende Möglichkeit, das individuelle Darmkrebsrisiko besser abzuschätzen als das mit bisher verfügbaren Methoden möglich war. Wenn sich die Vorhersagekraft in unabhängigen Studien mit langer Laufzeit bestätigen lässt, hätten wir einen aussagekräftigen Biomarker zur Verfügung, der die Darmkrebsvorsorge entscheidend verbessern könnte.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Originalstudie findet ihr hier.
Bildquelle: Tim Trad, unsplash.