Nach einer viralen Lungeninfektion haben Patienten oft lange mit chronischen Lungenschäden zu kämpfen. In einer Studie wurde nun ein Auslöser für die Schädigungen gefunden.
Virale Lungeninfektionen sind manchmal erst dann besonders gefährlich, wenn das Virus schon nicht mehr im Körper ist. Destruktive Prozesse, die während einer Infektion in Gang gesetzt werden, erreichen ihren Höhepunkt oft erst in den Wochen, nachdem das Virus bereits besiegt ist und verursachen Organschäden, die im weiteren zu chronischen Erkrankungen oder sogar zum Tod führen können. Auch nach einer SARS-CoV-2-Infektion bleiben Menschen mit anhaltendem Husten, Atembeschwerden und Kurzatmigkeit zurück.
Forscher der Washington University School of Medicine in St. Louis haben jetzt Hinweise darauf gefunden, wie sich Lungenschäden nach einer Atemwegsinfektion entwickeln. Bei ihren Untersuchungen an Mäusen stellten sie fest, dass bei Infektionen die Expression des Proteins IL-33 ausgelöst wird. IL-33 sorgt dann für verstärktes Wachstum epithelialer Stammzellen (Remodeling), es erhöht die Produktion von Mukus und verstärkt die Entzündungsreaktion in der Lunge.
Die Ergebnisse, die am 24. August im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht wurden, zeigen auch mögliche Ansatzpunkte auf, um chronische Lungenschäden nach Virusinfektionen zu verhindern.
„Impfstoffe, Virostatika und Antikörpertherapien sind hilfreich, aber sie sind keine Lösung für Menschen, die sich bereits auf dem Weg zu einer chronischen Erkrankung befinden“, erklärt Arzt und Erstautor Michael J. Holtzman, Professor für Zellbiologie und Physiologie. „Wir haben COVID-19 als akute Erkrankung besser in den Griff bekommen, aber alles, was nach dieser ersten schädigenden Phase passiert, verschlechtert immer noch das Outcome für den Patienten. Zu diesem Zeitpunkt haben wir es mit zig Millionen Menschen zu tun, die sich bereits infiziert haben und ein hoher Prozentsatz von ihnen wird an einer Langzeiterkrankung leiden, insbesondere an Atemwegssymptomen. Wir haben bisher keine Behandlung, die dieses Problem lösen kann.“
Es ist seit langem bekannt, dass akute Lungeninfektionen zu chronischen Lungenerkrankungen führen können. Bei Kindern, die bei einer Infektion mit dem Respiratorischen Syncytial-Virus ins Krankenhaus müssen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Asthma entwickeln, zwei- bis viermal so hoch wie bei anderen. Wie genau akute Atemwegsinfektionen chronische Erkrankungen auslösen, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt – was die Entwicklung von Therapien zur Vorbeugung oder Behandlung erschwert.
Im Rahmen ihrer Studie untersuchten Holtzman und Kollegen Mäuse, die mit dem Sendai-Virus, auch murines Parainfluenzavirus 1, infiziert waren. Das Sendai-Virus verursacht bei Menschen keine schweren Erkrankungen, aber es ruft bei Mäusen Atemwegsinfektionen, die denen beim Menschen ähneln.
Die Forscher untersuchten Lungengewebe von Mäusen 12 und 21 Tage nach einer Infektion mit dem Sendai-Virus und verglichen die Proben mit Lungengewebe von nicht infizierten Mäusen. Sie fanden heraus, dass zwei Populationen von Stammzellen bei nicht infizierten Mäusen die Barriere zwischen Lunge und Außenwelt aufrechterhalten. Nach einer Infektion mit dem Sendai-Virus beginnen diese beiden Populationen jedoch, sich getrennt voneinander zu vermehren und sich in der Lunge auszubreiten. Basalzellen übernehmen die kleinen Atemwege und Alveolen, während alveoläre Typ 2-Zellen (AT2-Zellen) auf die Alveolen beschränkt bleiben. Einige Basalzellen werden zu schleimproduzierenden Zellen, während andere Botenstoffe freisetzen, die Immunzellen in das Gewebe locken. Insgesamt führt dieser Prozess zu einer Lunge mit weniger Platz für Gastautausch, mehr Schleim und anhaltenden Entzündungen und somit zu einer Behinderung der Atmung.
Weitere Versuche zeigten, dass dieser Prozess von dem Zytokin IL-33 abhängt. Unter normalen Bedingungen steigt die Produktion von IL-33 in Lungenstammzellen als Reaktion auf Stress oder Verletzungen an und hilft der Lunge, beschädigte Barrieren zu reparieren. Während und nach einer Infektion kann IL-33 jedoch auch Schaden anrichten.
Um die Rolle von IL-33 bei der Schädigung der Lunge nach einer Virusinfektion zu untersuchen, veränderten die Forscher Mäuse genetisch so, dass ihnen IL-33 in den Lungenstammzellen fehlte. Anschließend infizierten die Wissenschaftler diese sowie eine separate Gruppe nicht veränderter Mäusen, mit dem Sendai-Virus. Beide Gruppen wehrten die Infektion mit dem Sendai-Virus gleich gut ab. Drei Wochen nach der Infektion wiesen jedoch die Lungen der Mäuse, denen IL-33 fehlte, weniger Zellwucherungen, Mukus und Entzündungsanzeichen auf. Sieben Wochen nach der Infektion waren, gegenüber der Vergleichsgruppe, bei den Mäuse ohne IL-33 auch höhere Sauerstoffwerte im Blut und eine geringere Überempfindlichkeit der Atemwege festzustellen – beides Anzeichen für eine Verbesserung ihrer chronischen Lungenerkrankung.
„Die Ergebnisse sind sehr erfreulich, denn hättten wir durch das Beseitigen von IL-33 auch die basalen Stammzellen verloren, hätte sich das Ganze negativ ausgewirkt“, so Holtzman. „Die genmanipulierten Mäuse hätten an der Infektion sterben können, weil ihre Körper nicht mehr in der Lage gewesen wären, eine normale Reparatur der viralen Schäden an der epithelialen Lungenbarriere durchzuführen. Aber das war nicht der Fall. Die Mäuse, denen diese Population von Basalzellen fehlte, hatten stattdessen ein viel besseres Ergebnis. Das ist es, worüber wir uns freuen. Mit diesen Erkenntnissen sind wir auf dem besten Weg, Therapien zu finden, die das Verhalten der basalen Stammzellen korrigieren.“
Das gezielte Eingreifen – irgendwo zwischen der Produktion von IL-33 und der Aktivierung der Basalzellen – könnte die Grundlage für wirksame Therapien zur Vorbeugung oder Behandlung von Lungenerkrankungen bilden, die durch Viren verursacht werden, so Holtzman.
„Die Lunge hat eine ziemlich stereotype Reaktion auf Verletzungen, einschließlich viraler Verletzungen“, erklärt er. „Der spezifische Virustyp, die Genetik des Wirts, die Schwere der anfänglichen Erkrankung – all diese Dinge beeinflussen das Ergebnis in gewissem Maß. Bei allen Erkrankungen gibt es die gleichen Schlüsselelemente, und deshalb glauben wir, dass es eine gemeinsame Behandlungsstrategie geben kann.“
Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Bilal O., unsplash