Abwehrzellen durchsuchen den Körper kontinuierlich nach Krankheitserregern und Tumorzellen. Zur Orientierung nutzen sie chemische Markierungen. Forscher konnten nun zeigen, wie diese Suche effizienter gestaltet werden kann.
„Stellen Sie sich vor, Sie suchen mit einem Metalldetektor in einer Wüste nach einem Goldnugget. Die Wüste nach dem Zufallsprinzip abzusuchen, wäre intuitiv nicht die effizienteste Strategie; aber in geraden Linien zu gehen, wäre auch nicht sinnvoll.“ So umschreibt Professor Heiko Rieger das Problem, welches auch körpereigene Abwehrzellen haben, wenn sie auf die Suche nach Eindringlingen, wie zum Beispiel Krankheitserregern, gehen oder Tumorzellen aufspüren, die sie vernichten müssen, bevor ihr Wachstum außer Kontrolle gerät.
Der Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Physikalische Modellierung von Nicht-Gleichgewichtsprozessen in biologischen Systemen“ an der Universität des Saarlands hat gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Hugues Meyer die Frage untersucht, wann eine Zelle besonders effizient bei der Suche nach schädlichen Eindringlingen und Zellen ist. Besonderes Augenmerk haben die beiden Forscher dabei auf das „Gedächtnis“ der Zellen gelegt; dabei handelt es sich um spezielle biochemische Markierungen, welche die Zelle absetzt, um einen Ort zu kennzeichnen. Dies geschieht entweder, um andere Immunzellen zu rekrutieren und Hilfe zu erhalten, um so einen Tumor oder eingedrungene Bakterien in einer Wunde zu töten, oder um mitzuteilen, dass ein Gebiet bereits abgesucht wurde und nicht erneut abgesucht werden muss.
„Mathematisch gesehen sind solche Gedächtnisprozesse oft schwer zu quantifizieren und vorherzusagen“, erklärt Meyer. Das theoretische Verständnis solcher Prozesse im Körper ist aber von grundlegender Bedeutung zum Beispiel für die zielgenaue Entwicklung hochwirksamer Therapien gegen Krankheiten wie Krebs. Meyer und Rieger haben dieses Problem nun mit den Mitteln der theoretischen statistischen Physik betrachtet.
„Tatsächlich ist es uns dabei im Computermodell gelungen, die Effizienz solcher Prozesse zu quantifizieren“, erklärt Meyer. Die Simulationen der Physiker zeigten insbesondere, dass ein Kurzzeitgedächtnis die Sucheffizienz bereits erheblich steigern kann und sie sagten die optimalen Strategien voraus, die man verfolgen sollte, um am effizientesten zu sein. Kurz: Sie konnten vorhersagen, auf welchem Weg eine Zelle ihren Feind am schnellsten finden kann. „Dabei hat sich herausgestellt, dass die Suche dann am effizientesten ist, wenn die Zelle – oder in unserer Simulation ein so genannter Suchagent – auf ihrem Weg einfache Anweisungen wie ‚in zwei Schritten nach links, dann in drei Schritten nach rechts‘ nach wohldefinierten Wahrscheinlichkeiten befolgt“, so der Physiker.
Anders gesagt: Die Zelle muss auch mal einen Hinweis ignorieren, um möglichst effizient zu sein. Der Goldsucher in der Wüste muss Hinweisen folgen und ab und an auch mal zufällig vom Weg abweichen. „Mit dieser Strategie und bereits mit einer Erinnerung an die letzten beiden Schritte sinkt die durchschnittliche Zeit zum Auffinden des Ziels um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu einer blinden Zufallssuche“, nennt Meyer eines der zentralen Ergebnisse der Forschungsarbeit.
Für Immunzellen im Speziellen ziehen die Forscher daher folgendes Fazit: „Wenn die Zelle den chemischen Hinweis ignoriert, wird sie blindlings und ineffizient suchen. Wenn sie sich andererseits zu sehr auf den Hinweis verlässt, wird sie dazu neigen, in geraden Linien zu gehen und noch weniger effizient zu sein. Es muss also ein richtiges Gleichgewicht gefunden werden“, so Meyer.
Der Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität des Saarlandes. Das Paper findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Finding Dan | Dan Grinwis, unsplash