Neuroinspirierte Rechner ahmen die Funktion des menschlichen Gehirns nach. Bisher gelang das vor allem durch Softwarelösungen. Eine Studie stellt jetzt eine Hardware-Entwicklung vor.
In der digitalen Gesellschaft wachsen der Bedarf an Rechenleistung und der damit einhergehende Energieverbrauch ungebremst. Damit steigt auch das Interesse der Mikroelektronik-Industrie an integrierten, spintronischen Lösungen. Diese Technologien minimieren Wärmeverluste durch elektrischen Strom, indem sie die Spins der Elektronen zusätzlich zu der Elektronenbewegung für die Informationsübertragung nutzen – oder sogar mit reinen Spinströmen Energieverluste durch Wärme komplett vermeiden.
Die Vision des neuromorphen Computings geht noch einen Schritt weiter. Sie soll völlig neue Rechenarchitekturen realisieren, die die dynamische Natur des menschlichen Gehirns nachempfinden. „Jede unserer Nervenzellen hat über siebentausend Synapsen, um mit anderen Neuronen zu kommunizieren. Das macht das Gehirn unglaublich effizient. Parallele Datenverarbeitung oder Grafikkarten können da bei Weitem nicht mithalten“, erklärt Dr. Alina Deac, leitende Wissenschaftlerin der Studie. „Gerade beim neuroinspirierten Rechnen stehen Hardwareentwicklungen noch ganz am Anfang. Hier können wir mit unserer Forschung einen echten Unterschied machen.“
Der Ansatz des Teams basiert auf schwingenden Magnetwirbeln. Das Grundprinzip: In ultradünnen Nanostrukturen aus magnetischen Materialien können sich die Spins der Elektronen wirbelförmig anordnen – ähnlich einem Trichter oder Wirbelsturm. Über die jeweilige Drehrichtung und die Orientierung im Kern nach oben oder unten kann jeder Wirbel vier unterschiedliche Zustände annehmen, also zwei Bit Information speichern.
Über einen äußeren Stromimpuls manipulieren die Forscher die Position des Kerns. Dieser bewegt sich dann spiralförmig zum Ausgangspunkt zurück. Wiederholt man den Impuls immer wieder im genau richtigen Moment, beginnt der Wirbel, kreisförmig um sein Zentrum zu schwingen. Diese Schwingungen sind wichtig für das neuromorphe Computing, weil mehrere Wirbel über sie Informationen austauschen, also untereinander kommunizieren können. Ihre Schwingungen synchronisieren sich. Biologische Neuronen nutzen ein ähnliches Prinzip: Ihre Synapsen feuern schnelle elektrische Pulse.
Bislang waren die magnetischen Wirbel-Schwingungen auf eine einzige Resonanzfrequenz beschränkt, die von den geometrischen Eigenschaften der Nano-Scheibe bestimmt wird. Nun gelang erstmals das Design von Nanoscheiben, in denen Spin-Wirbel auf mehr als eine Frequenz ansprechen. Mit Hilfe modernster Elektronenstrahllithographie, Reinraumeinrichtungen und präzisem Ionenbeschuss im Ionenstrahlzentrum des HZDR wurden zwei abgegrenzte Bereiche in den Scheiben mit unterschiedlichen Magnetisierungsgraden erzeugt und dadurch unterschiedlichen Resonanzfrequenzen. Die künstlichen Synapsen und Neuronen können dann quasi auf mehreren Kanälen funken.
Experimente zur Spracherkennung mit schwingenden Wirbeln haben gezeigt, dass mehrere Frequenzen in einem System Voraussetzung für die Mustererkennung künstlicher Intelligenz sind. Die nanostrukturierten Scheiben bieten diese Möglichkeit jetzt in einem einzigen Bauteil.
Damit ihrer Entwicklung auch der Sprung in Anwendung und industrielle Fertigungsprozesse gelingen kann, kooperieren die Forscher eng mit weiteren Wissenschaftspartnern und Unternehmen vor Ort. „Dresden ist ein einzigartiger Standort für Innovationen rund um neuromorphes Computing oder Wi-Fi-Technologien. Es ist ein Riesenvorteil, dass wir unsere Entwicklung hier bereits vor Ort auf ihre Praxistauglichkeit testen können. Zum Beispiel können wir die Nanoscheiben mit unseren Partnern an der TU Dresden und bei der Industrie langfristig auch in komplexere Elektronik integrieren“, erläutert Deac.
Das Anwendungsspektrum der neuen Multifrequenz-Nanoscheiben ist enorm. Bereits heute werden Magnetwirbel-Technologien in kommerziellen Magnetspeichern und für neue Drahtlostechnologien eingesetzt.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Josh Riemer, Unsplash