Die emotionalen Aufmerksamkeits- und Informationsverarbeitungsprozesse bei depressiven Erkrankungen werden vor allem vom linken Stirnhirn gesteuert. Mittels transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS) ist es möglich, die Aktivität des Hirnbereichs zu unterstützen.
Depressive Erkrankungen sind gekennzeichnet durch eine mangelnde Bewältigung und Kontrolle von negativen Eindrücken, Gedanken und Gefühlen. Mit Psychotherapie und antidepressiven Medikamenten kann zwar vielen Patienten gut geholfen werden, ein besseres Verständnis der neurobiologischen Grundlagen dieser Erkrankung könnte aber eine noch gezieltere und effektivere Therapie ermöglichen. In der neurologischen und psychiatrischen Therapieforschung unter der Leitung von Prof. Christian Plewnia und Prof. Andreas J. Fallgatter werden schwache elektrische Ströme, die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS), als Behandlungsmöglichkeit der Erkrankung untersucht. Bei vielen psychiatrischen Erkrankungen ist die Wahrnehmung und Verarbeitung bestimmter, bei Depressionen vorwiegend negativer Informationen verstärkt. Die diesbezügliche Steuerung emotionaler Aufmerksamkeits- und Informationsverarbeitungsprozesse ist vor allem Aufgabe des Stirnhirns. Bei Patienten mit Depressionen ist die Aktivität dieses Hirnbereichs und damit die Kontrolle über die Verarbeitung emotionaler Informationen verringert. Mit Hilfe schwacher elektrischer Ströme ist es möglich, die Aktivität dieses Hirnbereichs zu unterstützen. Die Therapie ist vergleichsweise einfach und für die Patienten kaum belastend. Die Untersuchung zeigt, dass die Verbesserung der Aktivität des linken Stirnhirns durch tDCS die erhöhte Aufmerksamkeit für negative Informationen bei Patienten mit Depression vorübergehend beseitigen kann. Umgekehrt kann eine Verringerung der Aktivität dieses Hirnbereiches bei gesunden Versuchspersonen zu einer sonst nicht vorhandenen Ablenkbarkeit durch negative Informationen führen.
In einer weiteren Studie konnten die Forscher mit der gleichen Art von Hirnstimulation gesunden Versuchspersonen helfen, den Ärger beim Scheitern an einer Konzentrationsaufgabe so zu unterdrücken, dass die Konzentrationsleistung besser wurde. Die Stimulation des linken Stirnhirns während der Aufgabe verbesserte damit die Fähigkeit zur Begrenzung negativer Gedanken und Impulsen. Die Forscher schließen daraus auf eine entscheidende Bedeutung des linken Stirnhirns für den individuellen Umgang mit emotionalen Informationen und damit auch für deren Störung z.B. bei Depression. Diese Erkenntnisse sind die Grundlage für neue therapeutische Ansätze durch die Kombination von kognitivem Training und gleichzeitiger elektrischer Stimulation des Gehirns. Originalpublikation: Keep Calm and Carry On: Improved Frustration Tolerance and Processing Speed by Transcranial Direct Current Stimulation (tDCS) Christian Plewnia et al.; PLoS One, doi: 10.1371/journal.pone.0122578; 2015 Targeting the biased brain: non-invasive brain stimulation to ameliorate cognitive control Christian Plewnia et al.; Lancet Psychiatry, doi: 10.1016/S2215-0366(15)00056-5; 2015