„Apotheker haben im Gegensatz zu den PTA durch ihre akademische Ausbildung gelernt, sich Wissen anzueignen.“ Diese Interview-Aussage eines Politikers bringt mich auf die Palme. Meine Antwort darauf – aus Sicht einer PTA.
Im Wahlkampf äußern sich Politiker gezwungenermaßen zu vielen Themen, auch abseits der großen Bühne. Und wenn es mal nicht um die Flutkatastrophe, die Pandemie oder die Lage im Nahen Osten geht, stellen Journalisten von Fachmagazinen dann schon mal konkretere Fragen zu Nischenthemen. Die Antworten, die dann kommen, lassen mir immer mal wieder die Haare zu Berge stehen. Aktuelles Beispiel: die Aussage des AFD-Bundestagsabgeordneten Jörg Schneider, der im Gesundheitsausschuss sitzt, gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung (DAZ) war beispielsweise, dass PTAs nie gelernt hätten, sich Wissen anzueignen. Das und weitere Teile des Interviews sind ein Schlag ins Gesicht aller engagierten PTAs – die er als reine Verkäuferinnen darstellt – die ich so nicht stehen lassen kann.
Worum dreht es sich genau? Herr Schneider wird in der DAZ so zitiert:
„Wenn Apotheken von reinen Einzelhändlern zu Gesundheitsdienstleistern werden sollen, reicht eine Ausbildung nicht. Dann muss man bei den PTA bessere Voraussetzungen schaffen, dass das umgesetzt werden kann. Sie müssen lernen und bereit sein, sich Wissen anzueignen. Der Trend zur Individualisierung in der Arzneimitteltherapie trägt dazu bei, dass es um weit mehr geht, als nur Packungen herauszureichen […]. Wir müssen weg davon, dass der Apotheker Verkäuferinnen um sich schart, das ist ein altes Bild. Wenn die Apotheken zusätzliche Aufgaben bekommen, wie Impfen oder Testen, müssen wir uns davon verabschieden.“
Zudem sieht er „eine immer größere Lücke zu den Approbierten“, denn „die haben im Gegensatz zu den PTA durch ihre akademische Ausbildung gelernt, sich Wissen anzueignen“.
Die PTA-Ausbildung umfasst eine zweijährige schulische Ausbildung und ein halbes Jahr Praxis in einer Apotheke. Während der schulischen Ausbildungszeit haben die angehenden PTA 2.600 Stunden Unterricht in den theoretischen Fächern Arzneimittelkunde, Galenik, Chemie, Botanik und Drogenkunde, Körperpflegekunde, Ernährungskunde und Diätetik, Gefahrstoff- und Pflanzenschutzkunde, Medizinproduktekunde, Fachrechnen, Gerätekunde, Berufs- und Gesetzeskunde, Apothekenpraxis und den praktischen Fächern Galenische Übungen, Chemisch-pharmazeutische Übungen einschließlich Untersuchung von Körperflüssigkeiten und Übungen zur Drogenkunde.
Der praktische Teil ihrer schulischen Ausbildung in der Apotheke umfasst noch einmal etwa 160 Stunden, zudem sind über die Schulzeit ein Herbarium und über die Lehrzeit in der Apotheke ein Tagebuch anzufertigen, was durchaus eigene Recherchen beinhaltet. Das ist mehr, als man bei so manch anderer Ausbildung zum Technischen Assistenten leisten muss. Es ist kein Zufall, dass man, hat man die Ausbildung zur PTA geschafft, auch ohne Abitur zum anspruchsvollen Pharmaziestudium zugelassen wird.
Auch dass langjährige PTAs die Abzeichnungsbefugnis erhalten und nach der neuesten Reform zwar unter der Verantwortung, aber selbständig arbeiten – denn es gibt inzwischen Ausnahmen von der Aufsichtspflicht – ist doch ein Hinweis darauf, dass sie keine „Verkäuferinnen“ sind, wie es Schneider darstellt. Sie übernehmen Kontrollfunktionen im Bereich der Rezeptur, sind hier die Hauptakteure bei der Herstellung. Auch bei Verordnungen kontrollieren die PTAs genau, wie die Apotheker, die Plausibilität, die Interaktionen und beraten den Kunden zu Wirkung und Nebenwirkungen. Wo Schneider da die „immer größere Lücke zu den Approbierten“ sieht, das müsste er einmal genauer ausführen. Ich kann sie ihm nicht aufzeigen.
Auch nach ihrer Ausbildung sind die PTA zu jeder Zeit bereit und willig gewesen, sich fortzubilden und dazuzulernen. Es gibt ein überaus großes und umfangreiches Angebot an Fortbildungen, Weiterbildungen und Informationsangeboten von Kammern, Verbänden, der IHK und der Industrie, die von PTAs genutzt werden, wie von kaum einer anderen Berufsgruppe. In keiner Apotheke die ich kenne, sind übers Jahr nicht mindestens 3 und oft sogar 10 und mehr Fortbildungen als Veranstaltung oder E-Learnings gang und gäbe. Diese werden zum großen Teil auch noch selbst finanziert, zumindest die An- und Abreise erfolgt auf eigene Kosten, und die Fortbildung wird auch häufig nicht als Arbeitszeit anerkannt. Ich kenne tatsächlich keinen anderen Beruf, in dem das so gehandhabt wird. Trotzdem sind die meisten PTAs weiterhin motiviert, sich Wissen anzueignen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Das wird in den Apotheken zurecht vorausgesetzt. Schneiders Aussage trifft hier also einen ganzen Berufsstand wie eine ungerechtfertigte Ohrfeige.
Grundsätzlich recht hat er allerdings damit, dass eine Akademisierung des PTA-Berufes nottäte. Zumindest die Möglichkeit eines Aufsatzstudiums, damit auch eine PTA eine Vertretungsbefugnis für bis zu vier Wochen im Jahr erhält – wie sie früher die Vorapprobierten hatten und jetzt noch die letzten Pharmazieingenieure haben – wäre für viele wünschenswert, wie ein Umfrageergebnis der DAZ nahelegt. Die Schulreform hatte leider nicht das Ergebnis erbracht, das sich 80 % der befragten PTA durch die ADEXA (Apothekengewerkschaft) seit vielen Jahren wünschen, nämlich eine Verlängerung der Schulzeit, bei der ein aufbauender Studiengang möglich gewesen wäre.
Doch das hat die ABDA bei der letzten PTA-Schulreform erfolgreich verhindert, da sie erweiternde Kompetenzen für PTA grundsätzlich abgelehnt hat. So lange die Apotheker ihre Assistenten weiterhin kleinhalten möchten, wird sich hier wohl leider gar nichts ändern.
Aber zurück zu Herrn Schneider. Woher nimmt er eigentlich die Überzeugung, dass PTAs während ihrer Ausbildung nicht gelernt haben, sich Wissen anzueignen? In meinen Augen ist es einfach nur dreist zu behaupten, dass Apotheker „Verkäuferinnen um sich scharen“, die nur Packungen über den HV schieben. Das wirft im Übrigen auch kein besonders schmeichelhaftes Licht auf die Apothekenleiter.
Hier lohnt sich ein Blick auf Schneiders Vita. Erstaunt kann man hier feststellen, dass er neben seiner Abgeordnetentätigkeit Lehrer am Berufskolleg für Technik und Gestaltung der Stadt Gelsenkirchen ist, die verschiedene Ausbildungen zum Technischen Assistenten anbietet. Schätzt er tatsächlich seine eigene Arbeit mit Schülern so gering ein, dass er ihnen während ihrer Ausbildungszeit zum Technischen Assistenten nicht vermitteln kann, wie sie lernen, sich Wissen anzueignen? Es wäre interessant zu hören, ob die Schulleitung die Aussagen ihres Lehrers hier unterstützt.
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