Mütterliche mikrochimäre Zellen sind in jedem von uns – aber haben sie auch eine Funktion oder schwappen sie in der Schwangerschaft sozusagen aus Versehen zum Kind rüber? Darauf gibt es jetzt eine Antwort.
Neugeborene, die zum Zeitpunkt der Geburt über viele mütterliche Zellen verfügen, haben im ersten Lebensjahr ein geringeres Risiko für Atemwegsinfekte. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) jetzt im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht haben.
In der Arbeit haben Forscher aus dem Labor für Experimentelle Feto-Maternale Medizin der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin die Funktion von mütterlichen Immunzellen untersucht, die während der Schwangerschaft über die Plazenta in den Fetus gelangen. „Dort können diese mütterlichen Zellen sehr lange verbleiben, sodass wir vermutlich alle noch etwas ‚Mama‘ in uns tragen“, erläutert Prof. Petra Arck, Laborleiterin und Forschungsdekanin des UKE. Die Existenz dieser Zellen – von den Forschern mütterliche mikrochimäre Zellen (MMZ) genannt – ist schon länger bekannt, allerdings war bislang unklar, ob es sich hierbei um ein „versehentliches Überschwappen“ von mütterlichen Zellen auf das Kind handelt oder die Zellen tatsächlich eine Aufgabe haben. „Die Evolution hat diese Zellen bislang nicht ausgemustert, sodass wir uns auf die Suche nach deren Funktion begeben haben.“
Viele dieser mütterlichen Zellen konnten die Wissenschaftler im fetalen Knochenmark von Mäusen nachweisen. „Das Knochenmark ist ein wichtiger Ort für die Immunentwicklung. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass die mütterlichen Zellen dort die Reifung der angeborenen Immunantwort fördern“, erläutern die beiden Erstautoren der Studie, Dr. Ina Stelzer und Christopher Urbschat. „Diese angeborene Immunantwort ist besonders bei Kindern bis zum ersten Lebensjahr sehr wichtig, um Infektionen abzuwehren.“
Anhand von Daten der am UKE angesiedelten Geburtskohorte (PRINCE-Studie) konnten die Forscher dann feststellen, dass bei Neugeborenen, die zum Zeitpunkt der Geburt über viele mütterliche Zellen verfügten, das Risiko für respiratorische Infektionen im ersten Lebensjahr niedriger war. „Die über Plazenta und Nabelschnur in das ungeborene Kind eingewanderten mütterlichen Zellen helfen also offensichtlich bei der Prägung des Immunsystems“, so die Schlussfolgerung von Stelzer und Urbschat.
Im Rahmen der PRINCE-Studie (Prenatal Determinants of Children's Health) wird im UKE bereits seit 2011 untersucht, welche Faktoren während der Schwangerschaft Einfluss auf die langfristige Kindergesundheit haben können. Dazu werden Studienteilnehmerinnen vom Beginn ihrer Schwangerschaft bis zur Geburt regelmäßig untersucht, neben dem Immunstatus werden dabei auch Umwelteinflüsse sorgfältig dokumentiert. Die Wissenschaftler vermuten seit Langem, dass Umwelteinflüsse und Stress bei der werdenden Mutter das Risiko für immunologische Erkrankungen und Infektionen bei den Kindern erhöhen. Ziel ihrer Bemühungen ist es, Biomarker wie die MMZ zu finden, um solche Schwangerschaften frühzeitig zu identifizieren und rechtzeitig die Weichen für eine gesunde Entwicklung des Kindes zu stellen.
Frauen im ersten Drittel ihrer Schwangerschaft können weiterhin an der Studie teilnehmen und sich unter prince@uke.de anmelden. Weitere Infos gibt es hier.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Jen Couser, Unsplash