Forscher haben ein Molekül entwickelt, das durch Leuchten die Neubildung von Gewebe anzeigt. Das hilft nicht nur, Wundheilungsstörungen zu untersuchen, sondern auch dabei, Tumoren sichtbar zu machen.
Die häufigsten Proteine in unserem Körper sind Kollagene, die sich zu stabilen Fasern vernetzen können. Nicht nur Haut, Sehnen, Knorpel und Bindegewebe, sondern auch Knochen bestehen aus Kollagen. Forscher der ETH Zürich haben nun ein Molekül entwickelt, das mit Kollagen wechselwirkt und anhand dessen die Neubildung von Gewebe sichtbar gemacht werden kann.
Während der Wundheilung, aber auch beim Wachstum von Tumoren, kommt es zu einer verstärkten Neubildung von Kollagenfasern. Im Rahmen dieser Neubildung vernetzen sich die fadenförmigen Kollagenmoleküle zu den stabilen Fasern. Dazu ist ein Enzym namens LOX nötig. Es oxidiert bestimmte Stellen in den Kollagenmolekülen. Diese chemisch veränderten Stellen reagieren anschliessend mit ihresgleichen auf anderen Kollagensträngen und verbinden sich mit diesen.
Die Forscher der ETH Zürich entwickelten ein Sensormolekül mit induzierbarer Fluoreszenz: Erst nachdem es mit dem Enzym LOX reagiert hat, beginnt es zu fluoreszieren. Das Sensormolekül ist also ein Marker für LOX-Aktivität. Dieses Molekül verknüpften die Wissenschaftler anschließend mit einem kurzen fadenförmigen Peptid, welches Kollagen ähnlich ist. Die Forscher haben dieses Peptid mit einer reaktiven Gruppe ausgestattet, die ausschließlich mit oxidiertem Kollagen reagiert.
In Zusammenarbeit mit Forschern der Zellbiologie führte das Zürcher Team Versuche an Mäusen durch, denen sie das Leucht-Molekül in die Haut injizierten, sowie In-vitro-Experimente mit Gewebeschnitten. Damit konnten sie zeigen: Das Molekül lagert sich dort in Kollagenfasern ein, wo sich gerade neues Gewebe bildet. Und es fluoresziert dann, wenn die Gewebeneubildung in Gang gebracht und dabei das Enzym LOX gebildet wird. „Durch den modularen Aufbau und die drei Komponenten – Sensor, Peptid und reaktive Gruppe – ist unser System ausgesprochen spezifisch und präzise", sagt Matthew Aronoff, Erstautor der Studie.
Weil beim Wachstum von Tumoren neues Gewebe vor allem an den Tumorrändern gebildet wird, kann das neue Molekül dazu verwendet werden, um etwa bei Untersuchungen von Biopsien die Ränder des Tumors sichtbar zu machen. „Eine unserer Visionen ist, dass Chirurgen dieses Molekül dereinst direkt auf dem Operationstisch während der Entfernung eines Tumors verwenden können", sagt ETH-Professorin Helma Wennemers. Das Molekül würde den Chirurgen den Tumorrand anzeigen und helfen, den ganzen Tumor zu entfernen.
Weitere mögliche Anwendungen des neuen Marker-Moleküls betreffen die Wundheilung, etwa die Erforschung der Gewebebildung grundsätzlich oder von Heilungsstörungen bei Diabetes und anderen Krankheiten. Die Wissenschaftler haben für das System ein Patent eingereicht und forschen weiter an zusätzlichen Anwendungunsbereichen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt. Hier gibt es außerdem ein Video, das den Vorgang zeigt.
Bildquelle: David von Diemar, unsplash.