Fusobacterium nucleatum beschleunigt das Wachstum bestimmter Karzinome. Bisher waren seine molekularen Eigenschaften unbekannt – jetzt ist es Forschern gelungen, RNA-Moleküle von fünf klinisch relevanten Stämmen des Erregers zu kartieren.
Der Mundhöhlenkeim Fusobacterium nucleatum ist dafür bekannt, das Wachstum menschlicher Karzinome, etwa im Darm oder in der Brust, zu beschleunigen. In einer Studie konnten die RNA-Moleküle von fünf klinisch relevanten Stämmen dieses anpassungsfähigen Erregers kartiert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, neue Therapien bei verschiedenen Krebserkrankungen zu entwickeln.
Die Forschungsergebnisse wurden in Nature Microbiology veröffentlicht. An der Studie waren das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und die Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg beteiligt.
Das Fusobacterium nucleatum kommt in der menschlichen Mundhöhle vor und ist ein wichtiger Bestandteil der gesunden Mundflora. Es kann jedoch auch zur Entstehung von Parodontitis beitragen. Und noch wichtiger: Der Keim wird zunehmend auch innerhalb des menschlichen Körpers, nämlich auf Darmkrebszellen und Mammakarzinomen nachgewiesen. Dort scheint er das Tumorwachstum zu befördern und die Behandlung zu erschweren.
Die bisherige Grundlagenforschung hat erste Erkenntnisse über die molekulare Reaktion der Wirtszellen auf die Bakterien erbracht. Weitgehend unverstanden sind bislang jedoch die molekularen Eigenschaften des Erregers selbst, seine Aktivität im Krebsgewebe und wie es ihm gelingt, sich nicht nur im Mund, sondern an ganz unterschiedlichen Stellen im menschlichen Körper anzusiedeln.
Die Studienautoren sind bei diesen Fragen jetzt einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Sie haben für fünf klinisch relevante Stämme des Keims einen globalen Atlas der RNAs, also der Ribonukleinsäuren, erstellt. Damit können sie hunderte zuvor unbekannte Ereignisse in der Genregulation der Mikroorganismen nachweisen und zeigen, wie sich diese im Laufe des Bakterienwachstums verändern.
Außerdem haben die Forscher erstmals einen Überexpressions-Vektor als genetisches Werkzeug im Fusobacterium eingesetzt, um die Funktionen seines Erbguts zu untersuchen.
„Unser RNA-basierter Ansatz eröffnet völlig neue Möglichkeiten, einen klinisch überaus relevanten Mikroorganismus auf molekularbiologischer Ebene zu analysieren und besser zu verstehen“, sagt HIRI-Direktor Jörg Vogel.
Er ist zuversichtlich, dass die vorliegenden Erkenntnisse die weiterführende translationale, also auf die medizinische Anwendung zielende Forschung befördern werden.
Die durchgeführte RNA-Kartierung umfasst Fusobacterium nucleatum mit seinen Unterarten nucleatum, animalis, polymorphum und vincentii sowie Fusobacterium periodonticum. Die Wissenschaftler haben die primären Transkriptome – die Gesamtheit der RNA-Moleküle – dieser Stämme erfasst. Um deren genetische Funktionen zu untersuchen, setzte das Team einen Überexpressions-Vektor ein. Das ist ein Werkzeug, das ein bestimmtes Gen dauerhaft „anschalten“ kann, um dessen Wirkweise genau zu analysieren.
Die Forscher entdeckten durch Einsatz des Überexpressions-Vektors kleine regulatorische RNAs, sogenannte sRNAs (von engl. small RNAs), und konnten erstmals nachweisen, dass diese auch eine regulatorische Funktion in den Mikroorganismen erfüllen.
Die Studienergebnisse untermauerten außerdem die Anpassungsfähigkeit des Keims und könnten zumindest in Teilen erklären, warum dieser als Generalist auftrete, so Ponath. „Der opportunistische Erfolg von Fusobacterium nucleatum im Krebsgewebe ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass diejenigen Gene stets aktiv sind, die für die Adhäsion an die Tumorzellen verantwortlich sind“, sagt der Wissenschaftler.
Für die künftige Therapie von Krebserkrankungen stellt die Kartografierung des Fuso-Transkriptoms eine wichtige Grundlage dar. Auf ihrer Basis könnten in einem nächsten Schritt Gene identifiziert werden, auf die eine Behandlung zielen kann, um das Fusobacterium in Karzinomen zu beseitigen und das Krebswachstum einzudämmen.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. Die zugehörige Studie ist hier verlinkt. Bildquelle: Ryunosuke Kikuno, unsplash