Die bakterielle Ionenpumpe KR2 konnte mit einfachen Mitteln von einer Natrium- in eine Kaliumpumpe umgewandelt werden. In Nervenzellen eingebaut, könnte KR2 damit zu wertvollen neuen Werkzeugen für die Optogenetik führen.
Manchmal ist der Weg vom Meeresbakterium zum Instrument der Hirnforschung nicht lang: So etwa im Falle der molekularen Ionenpumpe KR2, die 2013 in der Zellwand des Bakteriums Krokinobacter eikastus entdeckt wurde. KR2 gehört zu einer Klasse von lichtempfindlichen Proteinen, die zur Basis des Forschungsgebietes der Optogenetik geworden sind. Bei Belichtung lassen sie geladene Teilchen in die Zelle strömen oder transportieren sie nach außen. Baut man diese Ionentransporter in die Membran von Nervenzellen ein, lässt sich deren Ladungszustand anschließend durch Lichtreize gezielt verändern, sodass ihre Aktivität präzise steuerbar wird. Eine Pumpe wie KR2, die positiv geladene Natrium-Ionen aus der Zelle heraustransportiert, fehlt im Werkzeugkasten der Optogenetik bis jetzt. Allerdings waren bisher weder die genaue atomare Struktur noch der Mechanismus des Ionentransports bekannt. Dadurch weckte KR2 das Interesse von Strukturbiologen um Prof. Valentin Gordeliy, der Forschungsgruppen am Jülicher Institute of Complex Systems (ICS-6), am Institute de Biologie Structurale in Grenoble und am Moscow Institute of Physics and Technology leitet. Mit dem Verfahren der Röntgenkristallographie gewannen Gordeliy und sein Team hochaufgelöste Strukturbilder des Einzelproteins und des fünfteiligen Komplexes, zu dem sich KR2-Moleküle unter physiologischen Bedingungen von selbst zusammenfügen. "Die Struktur weist Elemente auf, die man bisher von keiner anderen Ionenpumpe kennt", sagt Ivan Gushchin, einer der Erstautoren der Studie. Dazu gehört zum Beispiel eine Art Deckel in Form einer kurzen Proteinhelix, die direkt über der äußeren Öffnung der Pumpe liegt. Besonders interessierte die Forscher jedoch eine ungewöhnlich geformte Struktur im Inneren des Kanals entlang des Weges, den das Natriumion nehmen muss. "Wir vermuteten darin eine Art Filterelement, das vielleicht für die Natrium-Selektivität von KR2 verantwortlich sein könnte", erklärt Gushchin.
Um diese Idee zu testen, veränderten Gordeliy und sein Team die Struktur an der fraglichen Stelle durch den gezielten Austausch einzelner Aminosäuren. Nicht nur verlor KR2 dabei tatsächlich seine Fähigkeit zum Natriumionen-Transport. Bei einer der Mutationen schien sich KR2 von einer Natrium- in eine Kalium-Pumpe umzuwandeln. In gemeinsamen Experimenten mit Ernst Bamberg am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main konnte dieses Ergebnis aufgrund elektrophysiologischer Untersuchungen am gereinigten Protein bestätigt werden. Für die Optogenetik könnte dieses Resultat besonders interessant werden, erklärt Ernst Bamberg: „Bei Neuronen ist der Transport von Kalium-Ionen aus der Zelle gewissermaßen der natürliche Mechanismus für die Deaktivierung. Aktivierte Neuronen werden in den Ruhezustand zurückversetzt, wenn Kalium-Ionen aus der Zelle strömen. Normalerweise geschieht das über passive Kanäle, durch die sich die Ionen von selbst entlang des Konzentrationsgefälles bewegen. Mit einer durch Licht aktivierbaren nach außen gerichteten Kalium-Pumpe ließe sich der Vorgang dagegen auf viel gezieltere Weise steuern.“ KR2 könnte damit zu einem effektiven Aus-Schalter für Nervenzellen werden. Zunächst müssten nun allerdings Wege gefunden werden, die Pumpe in verschiedene Zelltypen einzubauen. „Zusammen mit Channelrhodopsin 2, einem lichtgesteuerten Kationenkanal [...], würde die Kaliumpumpe dann ein ideales Paar bilden, um Nervenzellen präzise an- und abzuschalten“, so der Forscher. Originalpublikation: Crystal structure of a light-driven sodium pump Ivan Gushchin et al.; Nature Structural & Molecular Biology, doi: 10.1038/nsmb.3002; 2015