Es frustriert mich: Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie bleiben kurzsichtig. Haben wir nichts gelernt? Um den Hausärzten unter euch den Start in den Herbst zu erleichtern, hier meine Corona-Checkliste.
Ich wage einmal einen Ausblick auf die kommenden Monate: Die Anzeichen verdichten sich, dass der politische Wille sehr gering sein wird, unpopuläre Maßnahmen wie Lockdowns, Schulschließungen, konsequentes Maskentragen und Testungen durchzusetzen. Auch wirklicher Druck auf Ungeimpfte ist nicht absehbar.
Klar, das ist mal wieder sehr kurzsichtig, als hätten wir in den letzten Monaten nichts gelernt. Bei zu erwartenden Krankheits- und Quarantäneausfällen wird ein geregelter Arbeits- und Schulalltag sowieso nicht möglich sein. Von den so produzierten Long-Covid- Fällen und toten Kindern ganz zu schweigen. (Meinung (!): Tote Kinder sind selten, aber jedes vermeidbare tote Kind ist eines zu viel. Erst recht, wenn es das eigene wäre, aber daran denke ich jetzt besser nicht …).
Es wird jedenfalls zu einer ungebremsten Ausbreitung der Delta-Variante kommen. Die jungen Menschen werden die Infektion größtenteils mit leichteren Verläufen überstehen. Auch die geimpften Patienten werden bei Durchbruchinfektionen nur leichte Symptome zeigen. Alle diese Menschen bedürfen keiner Krankenhaus- oder Intensivstation-Behandlung. Sie benötigen aber Diagnostik, Betreuung und Überwachung. Das wäre dann unser Job als Hausärzte.
Wenn man also wirklich abseits der Inzidenz einen Gradmesser zur Überlastung des Gesundheitssystems haben will, dann muss die Situation in den Haus- und Kinderarztpraxen herangezogen werden. Und nicht die der Intensivstationen. Wenn unter diesen Voraussetzungen die Intensivstationen überlastet sein werden, möchte ich mir gar nicht ausmalen, wie es zu dieser Zeit dann auf der Primärversorgerbasis aussieht.
Und das wird wahrscheinlich aus verschiedenen Gründen von der Öffentlichkeit, Politik und Standesvertretung weitgehend unbemerkt ablaufen. Wir werden weiter auf uns allein gestellt sein und werden uns darauf vorbereiten müssen.
Meine Checkliste für den zu erwartenden heißen Herbst:
Folgender Prozess hat sich dabei bei uns in den letzten Wellen bewährt:
Das Ganze ist mit einem großen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden. Ob das dann auch bei zu erwartenden hohen Fallzahlen möglich sein wird, werden wir abwarten müssen. Ich wüsste aber nicht, wie wir das anders machen könnten. Zum Glück schließen bald die Impfzentren. Damit fehlen die Kollegen nicht mehr in der Primärversorgung.
Umso ärgerlicher sind die ausgehandelten Vergütungen. Mit 10 Euro Infektsprechstunde plus 2 Euro pro Abstrich und ein paar gedeckelten Euros für Videosprechstunde ist das alles leider wirtschaftlich nicht abzudecken. Durch konsequente Reduzierungen der Schnelltestvergütung fällt jetzt auch die Querfinanzierung weg.
Aber das ist ein anderes Thema.
Bildquelle: Joshua Newton, unsplash