Ein 88-Jähriger bemerkt, wie er beim Lesen plötzlich das Sehvermögen auf dem rechten Auge verliert. Im Krankenhaus stellt sich heraus, dass die Erblindung auf einen Trauerfall zurückzuführen ist.
Ein 88-jähriger Mann liegt in seinem Bett und liest, bis er plötzlich – als würde sich ein Vorhang schließen – sein Sehvermögen auf dem rechten Auge verliert. Als sich sein Zustand auch nach 24 Stunden noch nicht verändert hat, entschließt er sich, die Notaufnahme aufzusuchen.
Er verneint sämtliche Begleitsymptome wie Kopfschmerzen, fokale Schwäche, Taubheitsgefühl, Angina oder Kurzatmigkeit. In seiner medizinischen Vorgeschichte sind Bluthochdruck, eine KHK und Vorhofflimmern (unter Apixaban) bekannt. Seine Herzfrequenz beträgt bei Ankunft in der Notaufnahme 62 bpm, der Blutdruck liegt bei 123/53 mmHg und die Sauerstoffsättigung bei 99 % bei Raumluft. Neurologisch lässt sich ein kompletter einseitiger Sehverlust auf dem rechten Auge feststellen. Der Augeninnendruck beträgt beidseits 14 mmHg.
Zur weiteren Beurteilung des Auges führen die Ärzte einen Ultraschall unter Verwendung einer Hochfrequenz-Linearsonde durch. Dabei zeigt sich ein retrobulbärer Fleck im distalen Abschnitt der zentralen Netzhautarterie.
Während das linke Auge normal durchblutet scheint, ist in der zentralen Netzhautarterie des rechten Auges kein Blutfluss messbar.
In der Fundoskopie wird deutlich, dass es sich bei dem Fleck um einen Plaque mit assoziierter retinaler Ischämie handelt. Da der Beginn der Symptome schon über 24 Stunden zurückliegt, entscheiden sich die Ärzte gegen eine Lysetherapie mit tPA.
Um der Ursache dieses Gefäßverschlusses weiter auf den Grund zu gehen, wird eine Duplexsonographie der Karotis sowie eine Echokardiographie durchgeführt. Allerdings ergeben sich keine Hinweise auf eine Erkrankung der Halsschlagader oder eine Vaskulitis, weshalb die Ärzte eine kardioembolische Ursache im Zusammenhang mit dem Vorhofflimmern vermuten.
Als sie den Patienten dazu noch einmal genauer befragen, finden sie zudem heraus, dass vor 2 Wochen ein Familienmitglied des Patienten verstorben war, weshalb der 88-Jährige mehrfach vergessen hatte, seine Antikoagulationsmedikamente einzunehmen. Einen Monat nach seinem Krankenhausaufenthalt hat der Patient die Lichtwahrnehmung und 15 % seines Sehvermögens wiedererlangt.
Text- und Bildquelle: Taylor et al. / Oxford Medical Case Reports
Bildquelle: Johannes Krupinski, Unsplash