Multiresistente Erreger sind ein Problem: Auf die Einführung eines Antibiotikums folgen oft resistente Pathogene. Doch bei Impfstoffen ist das kaum zu beobachten. Woran liegt das?
Wieso sind Antibiotika-Resistenzen gang und gäbe und Impfstoff-Resistenzen eher selten? Das Prinzip ist ähnlich: Sowohl Arzneimittel als auch Impfstoffe üben einen erheblichen selektiven Druck auf Pathogene aus, sodass Resistenzentwicklung der einzige Ausweg scheint. Und tatsächlich tritt eine Resistenz häufig zügig nach Etablierung eines Antibiotikums auf. Aber Impfresistenzen sind im Gegensatz dazu eher selten.
Eine Publikation führt dafür zwei Gründe auf: Erstens wirken Impfstoffe eher prophylaktisch, wohingegen Antibiotika eher therapeutisch wirken. Zweitens lösen Impfstoffe in der Regel Immunantworten gegen mehrere Angriffspunkte eines Pathogen aus, während Arzneimittel oft spezifischer wirken. Daraus folgern die Autoren, dass Pathogenpopulationen weniger Variation für Impfresistenzen generieren, als für Antibiotikaresistenzen und somit hat auch die Selektion weniger Möglichkeiten hat, auf diese Variation zu reagieren.
Bakterien sind Anpassungskünstler – zumindest lässt sich das aus der Abbildung ableiten. Zum Beispiel trat die erste Resistenz gegen Penicillin bei Staphylococcus-aureus-Isolaten bereits 6 Jahre nach Einführung des Antibiotikums in britischen Krankenhäusern auf. Ähnlich hat sich das auch bei anderen Antibiotika gezeigt. Dennoch wird eine Bedrohung durch die multiresistenten Erreger (MRE) oder panresistenten Bakterien massiv unterschätzt. In einem Bericht von 2019 hatte die WHO daher verstärkt vor der Gefahr gewarnt und sieht die resistenten Pathogene als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.
Im Gegensatz dazu bieten die meisten Impfstoffe eine anhaltende Eindämmung der Krankheit. So bieten sie seit ihrer Einführung schon über Jahrzehnte hinweg weiterhin Schutz. Die Pocken wurden ausgerottet, weil keine neuen Virusstämme auftauchten, die zwischen geimpften Personen übertragen werden konnten.
Die Tatsache, dass die meisten Impfstoffe gegen Viruserkrankungen gerichtet sind, sei keine allgemeine Erklärung, wieso Bakterien so einfach Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, betonen die Autoren. Denn Viren entwickeln auch schnell Resistenzen gegen antivirale Medikamente – beispielsweise traten Resistenzen gegen Influenza- und Herpesvirus-Medikamente innerhalb weniger Jahre nach der Zulassung auf. Zudem betonen die Autoren, dass bei mehreren Bakterienarten noch keine Impfstoffresistenz aufgetreten sei.
Die Autoren führen dazu zwei Schlüsselfaktoren auf: Das Timing der Behandlung und die Vielzahl an therapeutischen Angriffspunkten innerhalb und zwischen den Wirten. Ersteres bezieht sich auf das Infektionsgeschehen eines Erregers und den Zeitpunkt der Behandlung.
Oft vergehen nämlich Stunden bis Tage zwischen der Exposition gegenüber einem Erreger und der Symptomatik im Wirt. Laut Autoren sei dies auf die Replikation im Wirt zurückzuführen – steigt die Population auf eine große Zahl an, sei dies mit Krankheit und Infektiosität verbunden. Während dieser Zeit bieten sich Möglichkeiten für das Auftreten von Mutationen, während nach der Inkubationszeit die Möglichkeit zur Ausbreitung dieser Mutationen auf neue Wirte geboten wird. Therapien, die früh wirken, können daher robuster gegenüber der Evolution eines Pathogens sein und daher auch prophylaktisch gegenüber Resistenzentwicklung wirken, folgern die Autoren.
Bezüglich des zweiten Schlüsselfaktors empfehlen die Autoren eine Kombinationstherapie (simultaner Einsatz verschiedener Arzneimittel im gleichen Wirt) oder eine Mosaiktherapie (simultaner Einsatz verschiedener Arzneimittel in mehreren Wirten). Durch die steigende Anzahl an Medikamenten, die eingesetzt werden, sinke die Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Erwerbs mehrerer Resistenzen eines Pathogen innerhalb eines Wirts. Der Nutzen der Mosaiktherapie basiere demnach darauf, dass Mosaike eine Heterogenität in der Selektion schaffen. Eine Resistenz gegen ein bestimmtes Medikament sei demnach nur in einem Bruchteil der Wirte von Vorteil, die auch mit diesem Medikament behandelt werden. Somit reduziere eine Kombinationstherapie die Chance, dass ein resistenter Erreger auftaucht, wohingegen die Mosaiktherapie die Ausbreitung einer aufgetretenen Resistenz verlangsame oder gar verhindere, erklären die Autoren.
Diese Therapiestrategien eröffnen eine weitere Erklärung, wieso Impfresistenz seltener auftritt als Arzneimittelresistenz. Medikamente stören oft gezielte Schritte in einem bestimmten Stoffwechselweg, wohingegen Impfstoffe das Immunsystem multiplen Antigenen sowie potenziellen Epitopen aussetzt. Die Autoren betonen dabei die Ähnlichkeit dieser Immunität mit der Wirkung einer Kombinationstherapie.
Natürlich können diese Argumente nicht pauschalisiert werden. Bei der Resistenzentwicklung gegenüber Antibiotika treten viele weitere Faktoren auf, unter anderem der übermäßiger Gebrauch, insbesondere in der Landwirtschaft, und auch die Umweltstabilität eines Antibiotikums gehören dazu. Zudem gibt es auch Resistenzen gegen Impfstoffe bzw. Abschwächungen gegenüber der Wirksamkeit, bei der Antigenshifts und Antigendrifts eine wichtige Rolle spielen. Trotzdem führt der Artikel wichtige Aspekte auf, wieso wir mit so vielen Antibiotikaresistenzen zu kämpfen haben und weniger mit Impfresistenzen.
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