Spray statt Spritze – was wäre, wenn man den Corona-Impfstoff über Mund oder Nase verabreichen könnte? Nasensprays und Inhalatoren werden jetzt als mögliche Booster-Impfungen gegen COVID-19 untersucht.
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie rasant Impfstoffe entwickelt und produziert werden können. Dabei basieren die Impfstoffe auf unterschiedlichen Technologien und liefern dennoch alle einen vielversprechenden Impfschutz. Derzeit befinden sich knapp 100 SARS-CoV-2-Impfstoffe in klinischen Studien, wovon aber nur sieben intranasal verabreicht werden. Möglicherweise könnten diese mit einer einfacheren Handhabung zu einer höheren Impfbereitschaft führen.
Ein Artikel, der in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, gibt nun eine Übersicht zu inhalierbaren Impfstoffen.
Vorteile eines intranasalen Impfstoffs seien unter anderem eine nadelfreie Verabreichung oder eine örtliche Antigen-Abgabe an die Infektionsstelle, die eine Schleimhautimmunität im Respirationstrakt hervorruft. Eine solche Impfung könne eine IgA-Reaktion sowohl im Serum als auch in den Atemflüssigkeiten hervorrufen, während intramuskuläre Impfstoffe hauptsächlich Serum-IgG auslösen. Dabei dringe IgG in die untere Lunge ein und sei ebenfalls in den oberen Atemwegen und in den Nasengängen auffindbar, wohingegen sie bei einer intranasalen Impfung überwiegend in der Lunge auffindbar sind. Lokal induzierte B- und T-Gedächtniszellen in der Atemwegsschleimhaut und den Nasengängen bilden dabei eine wirksame Infektionsbarriere an dieser Stelle und können Virusausscheidung und -übertragung reduzieren sowie eine Ausbreitung in die Lunge verhindern.
Von den sieben der intranasal verabreichten SARS-CoV-2-Impfstoffe, die aktuell noch untersucht werden, sind sechs Lebendimpfstoffe bzw. Vektor-Impfstoffe und einer auf Proteinbasis. Die Autoren heben hervor, dass der Vorteil der Vektor-Impfstoffe gegenüber den Proteinuntereinheiten-Impfstoffen die effiziente Auslösung einer CD8+ T-Zell-Reaktion sei.
Das hauptsächliche Ziel der Impfung ist, eine langanhaltende schützende Immunität hervorzurufen. Die Dauer der Antikörper-Antworten variiert dabei erheblich, abhängig von den Eigenschaften des initiierenden Antigens. Die Antikörperreaktionen der Schleimhaut gelten oft als kurzlebig, ähnlich ist es auch bei den lungenresidenten T-Zellen. Die Autoren betonen dabei eine Impfstrategie, die möglicherweise die intramuskuläre Impfung mit der intranasalen kombiniert, um langlebige T-Zell- und Antikörper-Antworten auszulösen und gleichzeitig einen Schleimhautschutz zu gewährleisten.
Eine erste klinische Phase-I-Studie, die zwei verschiedene Impfstrategien vereinbart, wurde kürzlich zum Impfstoff des chinesischen Herstellers CanSino Biologics in der Fachzeitschrift Lancet Infectious Diseases veröffentlicht. In diesem Fall wird der Impfstoff nicht über die Nase verabreicht, sondern über vernebelte Aerosole über den Mund eingeatmet. Hier käme der inhalative Impfstoff als Booster nach einer ersten intramuskulären Dosis in Frage. Der Impfstoff Ad5-nCoV ist bereits als intramuskulär verabreichte Vakzine in China zugelassen. Nun wurde ein Einsatz über die Atemwege überprüft. Als Vektor wurde ein replikationsunfähiges Adenovirus vom Typ 5 verwendet, das ein Gen des SARS-CoV-2-Spikeproteins enthält.
Es handelt sich um eine randomisierte, monozentrische, offene Phase-I-Studie, die im Zhongnan-Krankenhaus in Wuhan durchgeführt wurde. Die Untersuchung umfasste 130 gesunde Erwachsene, die seronegativ für SARS-CoV-2 waren. Die Teilnehmer wurden dazu in fünf Gruppen eingeteilt, die den Impfstoff über intramuskuläre Injektion, Aerosol-Inhalation oder auf beide Weisen erhielten. Variiert wurde zusätzlich die Dosis. Die Verimpfung der beiden Dosen erfolgte dabei im Abstand von 28 Tagen. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von Nebenwirkungen 7 Tage nach jeder Impfung. Primär wurden dabei die IgG-Antikörper und die neutralisierenden Antikörper am Tag 28 nach der letzten Impfung untersucht.
Insgesamt wurde die erste Dosis nach der Inhalation besser vertragen. So wurde in den Gruppen, die mindestens eine intramuskuläre Injektion erhielten, über mehr unerwünschte Ereignisse berichtet (63 %) als bei den Probanden, die eine inhalative Impfung erhielten (25 %). Nebenwirkungen wie Fieber, Müdigkeit und Kopfschmerzen traten in diesen Gruppen deutlich seltener auf. Nach der zweiten Dosis wurden weniger Unterschiede erfasst. Im Neutralisationstest war bei der inhalativen Anwendung kein erkennbarer Nachteil zu erfassen, jedoch fiel die Konzentration der IgG-Antikörper im Serum deutlich geringer aus. Der höchste Titer an neutralisierenden Antikörpern wurde mit 396 bei der heterologen Anwendung verzeichnet und war doppelt so hoch wie in den anderen Gruppen. In dieser Gruppe wurde ebenfalls eine IgG-Konzentration von 2.013 EU/ml erfasst, welche weit über den anderen Gruppen lag.
Die Studie konnte somit eine gute Verträglichkeit des inhalativen Ad5-nCoV in den untersuchten Probanden nachweisen. Zudem wurden höhere Antikörper bei einer heterologen Verabreichungsweise erfasst, was einen Einsatz eines inhaltiven Boosters als Zweitdosis befürwortet.
Die Wirksamkeit, Kosteneffektivität sowie die Verträglichkeit muss nun in weiteren größer angesetzten klinischen Studien untersucht werden. Außerdem konnten die Forscher nicht die spezifische sekretorische IgA-Konzentration in der Schleimhaut nach Erhalt der Impfung bestimmen oder Analysen zu geweberesidenten Gedächtniszellen durchführen, was in zukünftigen Studien in Betracht gezogen werden könnte.
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