Sie rauchen, trinken oder haben Übergewicht – manche Ärzte gehen nicht gerade mit gutem Beispiel voran. Wirken sie dadurch nahbarer oder verspielen sie das Vertrauen ihrer Patienten?
Bereits Ende 2018 förderten Umfragen aus Deutschland erschreckende Ergebnisse zu Tage. Forscher hatten Ärzte aus 38 Universitätskliniken und 296 Lehrkrankenhäusern angeschrieben. Hinzu kamen 1.290 niedergelassene Kollegen.
Von 1.338 Fragebögen konnten 920 ausgewertet werden. Die gute Nachricht: 90 Prozent aller Kollegen schätzten ihren Gesundheitszustand selbst als „zufriedenstellend“ ein. Jedoch konsumierten 23 Prozent gefährliche Mengen Alkohol und fünf Prozent waren vom Glimmstängel abhängig. Acht Prozent wiederum gaben an, starkes Übergewicht zu haben. Wöchentliche Arbeitszeiten von mehr als 50 Stunden, eine chirurgische Tätigkeit und Kinderlosigkeit waren mit riskantem Gesundheitsverhalten assoziiert.
Selbst bei einem Onkologie-Kongress beobachteten Journalisten rauchende Lungenkrebs-Spezialisten. Und Corona hat die Sache weiter verschlimmert, zumindest beim Alkohol. Welche Folgen hat das für Patientenkontakte?
Dazu ein paar Daten: Interviews mit 358 Patienten aus den USA zeigen, wo das Problem möglicherweise liegt. Sie empfanden die übergewichtigen oder adipösen Ärzte als weniger vertrauenswürdig und glaubwürdig. Zu befürchten ist, dass Erkrankte den ärztlichen Rat nicht ernst nehmen und ihre Therapietreue sinkt. Vielleicht suchen sie sogar eine andere Praxis auf.
„Patienten erwarten von Ärzten, die ihre Gesundheitsversorgung übernehmen, dass sie alles tun, um sich um ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu kümmern“, kommentiert Pamela Peeke von der University of Maryland in Baltimore.
Wendy Bennett, Adipoisitas-Forscherin an der Johns Hopkins University, hat ihre Zweifel: „Ich glaube nicht, dass wir aufgrund dieser einen experimentellen Studie den Schluss ziehen können, dass übergewichtige Ärzte die Bemühungen der Patienten, ihr Verhalten zu ändern, beeinträchtigen“, gibt sie zu bedenken.
Eine Studie, an der Bennett beteiligt war, legt nahe, dass Patienten nicht gegen übergewichtige Ärzte voreingenommen sind, wenn sie selbst abnehmen müssen. Und eine landesweite Umfrage mit 600 übergewichtigen Patienten zeigte sogar, dass 87 Prozent aller Patienten der Ernährungsberatung von übergewichtigen Hausärzten vertrauten, verglichen mit 77 Prozent, die Kontakt mit normalgewichtigen Ärzten hatten. Was bringen uns diese widersprüchlichen Angaben für die Praxis?
In erster Linie gilt: Ärzte sollten auf ihre Gesundheit achten wie alle anderen Menschen auch. Ist es Kollegen gelungen, ihr Gewicht dauerhaft zu verringern oder mit dem Rauchen aufzuhören, werden sie Patienten mit ähnlichen Problemen besser verstehen – und ihnen im Zweifelsfall auch besser helfen können.
Denn sie wissen aus eigener Erfahrung, wo jenseits von Diätplänen oder Pharmakotherapien wirklich Schwierigkeiten auftreten. Der Arzt war – oder ist – selbst Patient. Das führt im besten Fall zu Gesprächen auf Augenhöhe, ohne die übliche fachliche Distanz.
Bildquelle: Ehimetalor Akhere Unuabona, unsplash