Wenn oxidativer Stress T-Zellen schädigt und das Reparatur-Enzym Gpx4 fehlt oder defekt ist, sterben die sich teilenden T-Zellen ab und das Immunsystem kann Erreger nicht eliminieren und Infektionen werden chronisch. Bei Versuchstieren half die Gabe hoher Vitamin-E-Dosen.
Dringt ein Fremdkörper wie ein Virus oder irgendein anderer Erreger in den Körper ein, so reagieren die T-Zellen mit starker und rascher Vermehrung. Die CD8+ T-Zellen töten beispielsweise die von einem Virus befallenen Körperzellen und eliminieren so das Virus. Die CD4+ T-Zellen koordinieren die Immunantwort gegen alle Arten von Erregern. Sie sind die Generäle des Immunsystems. Bis diese T-Zellen aber wirksam eingreifen können, dauert es eine Woche, weil es zu Beginn einer Infektion zu wenige davon gibt, die spezifisch einen bestimmten Erreger erkennen können. Erst nach diesem „Feindkontakt“ teilen sich die wenigen „Späher“, dann aber alle acht bis zwölf Stunden, um Klone herzustellen, sodass es nach wenigen Tagen hunderttausende davon gibt. Erst diese Übermacht kann die Infektion erfolgreich bekämpfen.
Dies funktioniert allerdings nicht, wenn starker oxidativer Stress die T-Zellen schädigt und dem Körper das richtige Werkzeug fehlt, um die Schäden zu beheben, wie Kopfs Forschungsgruppe, namentlich Doktorandin und Erstautorin Mai Matsushita, nun in ihrer neuen Publikation aufzeigt. Fehlt den Immunzellen das Reparatur-Enzym Gpx4 (oder ist es defekt), sterben die sich teilenden T-Zellen ab, das Immunsystem kann die Erreger nicht eliminieren und die Infektion wird chronisch. Das Enzym ist dafür zuständig, oxidative Schäden an der Zellmembran zu reparieren.
Zu ihrer Überraschung konnten die Forscher aber die Immunzellen vor dem Zelltod retten, indem sie den Versuchstieren, in deren Immunzellen das Reparatur-Enzym fehlte, eine hohe Dosis von Vitamin E ins Futter mischten. Diese Menge des Antioxidans‘ reichte aus, um die Zellmembran der T-Zellen vor Schäden zu schützen, so dass sie sich vervielfältigen und die Virusinfektion erfolgreich abwehren konnte. Die Menge an Vitamin E im Mäusefutter lag mit 500 Milligramm pro Kilogramm Futter um das zehnfache höher als in der standardisierten Normalnahrung. Zeigen konnten dies die Forscher anhand eines Mausmodells, für welches sie Tiere verwendeten, bei denen das Gpx4-Gen zellspezifisch oder zu einem beliebigen Zeitpunkt inaktiviert werden kann. Diese Mäuse wurden von Forschern des Helmholtz Zentrums München entwickelt. Die ETH-Wissenschaftler haben diesen Mäusestamm nun so verändert, dass das Gpx4-Gen nur in T- Zellen oder in bestimmten Fresszellen des Immunsystems inaktiv war.
„Der Nutzen von Vitamintabletten ist ein kontroverses Thema“, sagt Manfred Kopf. Starke wissenschaftliche Beweise, dass diese Vitaminzusätze nützen, gebe es nur wenige. Umso interessanter sei deshalb ihre Studie, die einen Nutzen von Vitamin E belege. „Unsere Arbeit zeigt, dass sogar ein genetischer Defekt eines Hauptbestandteils der antioxidativen Maschinerie einer Zelle durch Verabreichung einer hohen Dosis Vitamin E kompensiert werden kann. Das ist neu und überraschend.“ Als wissenschaftlich wertvoll und bedeutend beurteilt Kopf die Tatsache, dass die Immunzellen bei oxidativem Stress den gleichen Tod erleiden wie bestimmte Arten von Krebszellen bei Behandlung mit einem Zytostatikum. Diese Ferroptose wurde erstmals im Jahr 2012 in einer wissenschaftlichen Publikation beschrieben. „Wir sind die ersten, die aufzeigen können, dass Immunzellen genauso wie Krebszellen aufgrund des oxidativen Stresses denselben Tod erleiden“, sagt Kopf. Was die Resultate ihrer Studie für die menschliche Gesundheit bedeutet, darüber ist sich der ETH-Professor noch nicht im Klaren. Menschen, die normal gesund seien und sich ausgewogen ernährten, würden keine Vitamin-Supplementierung benötigen, findet er. Es könne aber durchaus sinnvoll sein bei oxidativem Stress, wie er im Alltag bei Infektionen oder durch UV-Licht entstehen kann, an eine Ergänzung mit Vitamin E oder anderen fettlöslichen Antioxidantien zu denken. Ein massiver oxidativer Stress besteht bei Patienten mit bestimmten neurodegenerativen Erkrankungen oder Diabetes, wobei Antioxidantien eine gute Unterstützung einer Behandlung sein können. Wie gross die Mengen sein sollten, kann der Forscher aufgrund der Ergebnisse seiner Studie nicht sagen. Das sei auch nicht analysiert worden, da sie ihre Untersuchungen lediglich anhand eines Mausmodells gemacht hätten. Originalpublikation: T cell lipid peroxidation induces ferroptosis and prevents immunity to infection Mai Matsushita et al.; Journal of Experimental Medicine, doi: 10.1084/jem.20140857; 2015