Das Antiparasitikum Ivermectin wird auch als Therapieoption gegen COVID-19 propagiert. Ein Cochrane-Review findet keine überzeugenden Studiendaten. Allerdings sei die Evidenzlage noch unsicher.
Ivermectin wird seit Jahrzehnten erfolgreich gegen Parasiten bei Mensch und Tier eingesetzt. Es steht seit langem auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation und brachte seinen Entwicklern 2015 den Medizin-Nobelpreis ein.
In der COVID-19-Pandemie gehört Ivermectin zu vielen bereits für andere Zwecke zugelassenen Wirkstoffen, die auf eine mögliche Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 untersucht wurden. Tatsächlich zeigte eine Laborstudie vom April 2020, dass Ivermectin in Zellkulturen die Vermehrung des Virus hemmen kann. Allerdings lag die eingesetzte Dosis weit über jener, die für Menschen zugelassen ist.
Trotzdem führte diese Studie zusammen mit günstig erscheinenden Ergebnissen erster kleiner Studien dazu, dass sich verschiedene Lobbygruppen für den Einsatz von Ivermectin in der Behandlung von COVID-19 einsetzten. Insbesondere in Südamerika begannen viele Menschen ohne Evidenzbasis auf eigene Initiative mit der Einnahme von Ivermectin.
Mittlerweile gibt es einige abgeschlossene klinische Studien zu Ivermectin. Die Evidenz aus diesen Studien zu sammeln, zu bewerten und zusammenzufassen, war das Ziel des neuen Cochrane Reviews zu Ivermectin.
Die Autoren suchten dafür systematisch nach randomisierten kontrollierten Studien, welche u.a. den Einfluss einer Ivermectin-Behandlung auf Sterblichkeit und Schwere der Erkrankung oder die Länge des Krankenhausaufenthaltes, oder eine eventuelle vorbeugende Wirkung von Ivermectin untersuchen. Zudem werteten sie Studiendaten zu unerwünschten Nebenwirkungen aus. Die so identifizierten Studien wurden nach Cochrane-Methodik auf mögliche Verzerrungsrisiken (Risk of Bias) und die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse (nach GRADE) hin bewertet. Studien mit hohem Verzerrungspotential gingen nicht in die Auswertung ein.
Zu den von vornherein ausgeschlossenen Studien gehörte auch eine stark für eine Wirksamkeit von Ivermectin sprechende Arbeit, die Mitte Juli wegen Fälschungsverdachts zurückgezogen wurde. Diese Vorarbeiten liefen größtenteils im Rahmen des COVID-19-Evidenzökosystems CEOsys, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Nationale Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin (NUM) gefördert wird.
Am Ende konnten die Autoren 14 Studien, die den vorher festgelegten Kriterien entsprachen, in den Review einschließen (insgesamt 1.678 Teilnehmer; Stand der Studiensuche: 26. Mai 2021). Die Ergebnisse sind ernüchternd: Verglichen mit Placebo oder einer Standardbehandlung zeigte Ivermectin weder bezüglich des Sterberisikos, noch des klinischen Zustands von COVID-19 Patienten einen Vorteil. Auch zu einer vorbeugenden Wirkung von Ivermectin nach einem möglichen Kontakt mit dem Virus lassen sich keine Aussagen machen. Die Vertrauenswürdigkeit der vorhandenen Evidenz ist niedrig bis sehr niedrig.
Die Hauptautorinnen der Studie, Maria Popp und Stephanie Weibel von der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Würzburg, kommentieren: „Grund für den Mangel an hochwertiger Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin ist ein Studienpool, der hauptsächlich aus kleinen, unzureichend gepowerten RCTs mit Mängeln in Bezug auf Studiendesign, Durchführung und Berichterstattung besteht. Die derzeitige Evidenz ist dünn und kann nicht klären, ob Ivermectin zur Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19 einen Nutzen bringt. Eine sicherere Einschätzung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Ivermectin gegen COVID-19 wird erst möglich sein, wenn derzeit noch laufende größere Studien abgeschlossen sind. Sobald dies der Fall ist, werden wir unseren Review aktualisieren.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Cochrane Deutschland. Den vollständigen Review haben wir euch im Artikel und hier verlinkt.
Bildquelle: Lorenzo Herrera, unsplash