Das Immunsystem muss schnell auf virale Angriffe reagieren. Anscheinend ist die Infektionsroute und Infektionsdosis hier entscheidend – zumindest für Typ-I-Interferone. Der Rezeptor hat möglicherweise gar nicht viel mitzureden.
Typ-I-Interferone (IFNs) sind wichtige Botenstoffe des Immunsystems und spielen bei viralen Infektionen eine entscheidende Rolle: Bei einer Infektion wird eine erste kleine Welle von frühen Typ-I-IFNs, insbesondere IFN-4, gebildet, die an den Typ-I-IFN-Rezeptor (IFNAR) auf Zellen binden, um die IFN-Antwort zu verstärken.
Für mehrere Viren wurde beschrieben, dass für die Bildung von großen Mengen Typ-I-IFN diese positive Rückkopplungsschleife über den IFNAR benötigt wird. Prof. Zoe Waibler, Leiterin des Fachgebiets Produktprüfung immunologischer Arzneimittel der Abteilung Immunologie am Paul-Ehrlich-Institut, und ihr Team konnten bereits zeigen, dass Tiere, denen der IFNAR fehlt, nach Infektion mit dem zur Virusfamilie der Orthomyxoviridae gehörenden Thogotovirus unerwartet hohe Mengen Typ-I-IFN produzieren.
Um zu untersuchen, ob IFNAR-unabhängige IFN-Antworten einzigartig für eine Infektion mit dem Thogotovirus sind, führte das Team von Waibler Infektionsexperimente an Mäusen mit mehreren Negativstrang-RNA-Viren durch, wobei verschiedene Infektionsrouten und Dosierungen für die Infektion verwendet wurden.
Hierbei zeigte sich, dass sowohl Infektionsroute als auch Infektionsdosis maßgeblich für die Bildung von Typ-I-IFN in Abwesenheit des IFNAR sind:Eine Vielzahl von Viren induzierte Typ-I-IFN-Antworten dann IFNAR-unabhängig, wenn die Infektion durch Virusinjektion in den Bauchraum (intraperitoneal) erfolgte.
Anders als erwartet korreliert diese IFNAR-unabhängige IFN-Expression nicht mit dem Überleben der infizierten Tiere oder der Viruslast in verschiedenen Organen.
In-vitro-Studien zeigten, dass myeloide dendritische Zellen (mDC) – Zellen des angeborenen Immunsystems – in der Lage sind, IFNAR-unabhängige IFN-Antworten zu produzieren. Die Bildung von IFN in diesen Zellen ist dabei abhängig von der Expression des mitochondrialen antiviralen Signalproteins (MAVS).
Somit ist die IFNAR-Rückkopplungsschleife – je nach Dosis und Infektionsweg – für die Bildung von großen Mengen Typ-I-IFN nicht unbedingt notwendig. Eine IFNAR-unabhängige Typ-I-IFN-Produktion könnte daher eher die Regel als die Ausnahme bei Infektionen mit zahlreichen Negativstrang-RNA-Viren sein. Systemische und lokale Immunantworten könnten sich somit darin unterscheiden, inwiefern sie die Anwesenheit des IFNAR benötigen.
Diese Erkenntnisse sind wichtig, da einige Viren Strategien entwickelt haben, um gezielt einer Bildung von Typ-I-Interferon entgegenzuwirken. Das Verständnis, wie Typ-Interferone unabhängig von ihrem Rezeptor gebildet werden, kann dazu beitragen, antivirale Behandlungsstrategien gegen derartige Infektionen zu entwickeln.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Institus. Die genannte Orginalpublikation findet ihr hier hinterlegt.
Bildquelle: cottonbro, pexels