„Impfen oder Infizieren“ – diese Alternativen gibt es für Kinder in der Corona-Pandemie, sagen Experten. Andere fragen: Sollten bei immer noch knappem Impfstoff nicht erst Ältere in ärmeren Ländern geimpft werden?
In Israel sind inzwischen schon fast 85 % der Erwachsenen geimpft. Dennoch steigen seit Anfang Juni die Infektionszahlen wieder an – und zwar massiv unter Kindern und Jugendlichen. Deswegen hat Israel am 21. Juni als eines der ersten Länder entschlossen, die Corona-Impfungen auch Kindern ab 12 Jahren anzubieten.
Auch hierzulande beobachtet man, dass die Zahlen insbesondere unter jungen Erwachsenen und Jugendlichen ansteigt. Das ist auch nicht verwunderlich, da zunächst ältere Menschen beim Impfen an der Reihe waren. Angesichts steigender Zahlen fordern viele Wissenschaftler und Mediziner nun wieder, die Corona-Impfungen für Kinder ab 12 Jahren voranzutreiben.
Dafür sprachen sich zuletzt die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und das Universitätsklinikum Münster (UKM) aus. „Wenn wir nicht schnell handeln, um die gesamte Jugend vor dem Virus zu schützen, wird sich Corona auch in dieser Altersgruppe unaufhaltsam ausbreiten“, warnen Kammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle und der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des UKM, Prof. Hugo Van Aken, in einer Pressemitteilung. „Die Alternative für die Über-Zwölfjährigen lautet: Impfen oder Infizieren.“ Immerhin habe die EMA die Impfstoffe für über 12-Jährige bereits zugelassen, so Gehle. Jetzt sei die STIKO am Zug, ihre Entscheidung anzupassen. Derzeit empfiehlt sie, nur Kinder mit bestimmten Vorerkrankungen zu impfen. Als Gründe nennt die STIKO noch fehlende Daten zur Sicherheit des Impfstoffs.
„Wenn sich die Last der Fälle auf jüngere Menschen verlagert, werden die Argumente für die Impfung von Jugendlichen etwas zwingender“, stimmt Nick Bundle, Epidemiologe am Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten in Stockholm, zu.
In einem Artikel im BMJ schreiben Wissenschaftler, dass die Corona-Impfung von Kindern der beste Weg sei, um das Wohlbefinden der Kinder zu fördern. Immerhin minimiere die Impfung die Notwendigkeit von Einschränkungen, wie etwa Schulschließungen.
Das Argument, dass Kinder durch eine COVID-19-Infektion weniger wahrscheinlich schwer geschädigt werden und daher weniger von einer Impfung profitieren, die sie davor schützt, sei falsch. „Eine Infektion setzt Kinder unbekannten Risiken einer schweren Erkrankung und langfristigen gesundheitlichen Komplikationen aus“, so die Autoren.
Kritiker halten dem entgegen, dass die Nutzen-Risiko-Analyse bei Kindern eine Impfung nicht rechtfertige. Schließlich gebe es bei infizierten Kindern in den meisten Fällen nur leichte Verläufe. Doch auch aus einem anderen Grund sehen einige Wissenschaftler die Kinder-Impfungen kritisch: Länder müssten auch den globalen Kontext berücksichtigen.
„Ist es wirklich besser, den Impfstoff Kindern in reichen Ländern zu geben als älteren Menschen [in weniger wohlhabenden Ländern], wo er eine viel größere Auswirkung auf das Leben der Menschen haben könnte?“, sagt etwa Jennie Lavine, die an der Emory University in Atlanta, Georgia, die Dynamik von Infektionskrankheiten forscht. „Es fällt mir schwer, ein wirklich gutes Argument dafür vorzubringen.“
Bildquelle: Mary Blackwey, unsplash