Zellen reagieren auf Hunger oder Stress – und zwar koordiniert. Diese neuen Erkenntnisse könnten zur Entwicklung von Krebstherapien genutzt werden.
Um sich wechselnden Bedingungen optimal anpassen zu können, kommunizieren unsere Zellen in zwei Richtungen: Einerseits nehmen sie über Proteine auf ihrer Oberfläche ständig Signale aus ihrer Umgebung auf und geben sie an das Zellinnere weiter. Andererseits senden sie Signale nach außen, indem sie Proteine freisetzen.
Bislang war nicht klar, wie dieser Vorgang tatsächlich funktioniert. Forscher des Max-Planck-Instituts konnten nun in einer Studie den zentralen Koordinator dieser Prozesse ausmachen.
„Ein Weg, über den Zellen Proteine transportieren oder sezernieren, heißt ‚Unconventional Protein Secretion’, kurz UPS. Dieser Weg wird bei Stress aktiviert und es wurde bereits gezeigt, dass er Proteine transportiert, die bei Krebs, Entzündungen und Knochenbildung eine wichtige Rolle spielen“, erklärt Dr. Julian Nüchel, Erstautor der Studie.
„Wie UPS in gestressten oder ausgehungerten Zellen aktiviert wird, war nicht bekannt. Als wir die Regulation dieses sekretorischen Weges im Detail untersuchten, fanden wir heraus, dass der zelluläre Sensor mTORC1 diesen Prozess steuert.“ Der Proteinkomplex mTORC1 fungiert als wichtigster Sensor der Zelle und verknüpft Signale wie Energie- und Ernährungszustand mit fast allen grundlegenden zellulären Aktivitäten.
In ihren Experimenten zeigten die Kölner Forscher, dass verschiedene zelluläre Stressfaktoren, wie zum Beispiel Nährstoffmangel, den Proteinkomplex mTORC1 inaktivieren und den UPS-Transportweg einschalten. „Unter normalen Bedingungen ist mTORC1 aktiv und fügt bestimmten Proteinen eine kleine chemische Modifikation, die sogenannte Phosphorylierung, hinzu und verändert so deren Aktivität oder Lokalisation innerhalb der Zelle“, erklärt Forschungsgruppenleiter Dr. Constantinos Demetriades.
In der Studie konnte gezeigt werden, dass mTORC1 die Lokalisation und Funktion eines Proteins namens GRASP55 steuert, das sich normalerweise im Golgi-Apparat, dem Sortierzentrum für Proteinfracht in der Zelle, befindet. „Unter Stressbedingungen, wenn mTORC1 inaktiviert ist, wird GRASP55 nicht mehr im Golgi gehalten und wandert in andere Kompartimente, um UPS zu fördern.“
Neben dem Nachweis, wie UPS in Zellen reguliert wird, gelang es den Forschern auch, die Proteine zu identifizieren, die auf diesen Weg angewiesen sind, um die Zelloberfläche zu erreichen. Sie entdeckten Faktoren, die eine wichtige Rolle bei der Zellbewegung und -kommunikation spielen – Prozesse, die bei menschlichen Krankheiten häufig gestört sind.
Demetriades erklärt: „In Zellen, in denen die mTORC1-Aktivität gestört ist, ist auch der UPS-Transportweg fehlreguliert. Daher könnte dieser sekretorische Weg bei mTOR-bedingten Krankheiten […] eine entscheidende Rolle spielen. Zukünftige Studien in dieser Richtung werden notwendig sein, um die Bedeutung von UPS bei Krankheiten und Alterung des Menschen zu erforschen.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns. Die Originalpublikation findet ihr im Text und hier.
Bildquelle: Guillaume Bolduc, Unsplash