Es geht aufwärts, es geht abwärts: Apotheker kämpfen mit Honorarsorgen oder demographischen Trends. Sie stehen bei OTCs oder Rx-Präparaten in Konkurrenz zu Versandapotheken. Trends aus der Gesundheits-IT sorgen für frischen Schwung.
Berlin. Mit Hermann Gröhe (CDU) betrat ein gesundheitspolitisch völlig unbenannter Akteur die politische Bühne. Monate später lichten sich alle Nebel. „Die Politik hat mit der Situation im Apothekenwesen aktuell keinen Leidensdruck, der behoben werden muss“, sagte Jens Spahn (CDU) im Vorfeld des Pharmaziekongresses 2015. Der Gesundheitspolitiker ergänzt: „Es wird in dieser Legislaturperiode keine weiteren Spargesetze geben.“ Gleichzeitig forderte er Kammern und Verbände zum Umdenken auf: „DIE Apotheke gibt es nicht.“ Flächendeckend höheren Honoraren erteilte er – mit Ausnahme von Rezepturen und BtMs – eine klare Absage. Spahn prognostiziert vielmehr Modelle, bei denen umfinanziert wird. Er sieht eine immer stärkere Differenzierung kommen.
Entsprechende Folgen lassen sich nicht mehr übersehen. Märkte spreizen sich immer stärker auf, und weitere Apotheken schließen. Die Folgen: weniger Betriebe, weniger Inhaber, mehr Nettoumsatz pro Apotheke. Zeitgleich gewinnen Filialverbünde an Bedeutung. Um von mehr kritischer Masse zu profitieren, sind knapp 60 Prozent aller Apothekenleiter schon heute Miteigentümer einer Apothekergenossenschaft; rund 46 Prozent haben sich entschlossen, einer anderen Apothekenkooperation beizutreten. Das berichten Marktforscher auf Basis aktueller Befragungen mit etwa 250 Kollegen. Nur 18 Prozent verzichten auf beide Formen der Organisation. Kein Wunder – mehr als 82 Prozent aller Interviewten interessieren sich für günstige Einkaufskonditionen. Leistungen zur Optimierung der Frei- und Sichtwahloptimierung (57 Prozent), Schulungen für Mitarbeiter (53 Prozent) sowie Hilfe beim Marketing inklusive Werbemitteln (50 Prozent) sind ebenfalls gefragt. Hinsichtlich der Produktpalette gilt es, sich stark am soziodemographischen Umfeld der Apotheke zu orientieren. Senioren gelten als wichtigste Zielgruppe.
Bei ihnen helfen AMTS-Tools, zeitlich effizient die Medikation zu verbessern. Sogenannte Wearable Technologies, also Computersysteme, die am Körper zu tragen sind, gelten als weiterer Zukunftstrend – auch für Apotheken. Egal, ob Blutdruck oder Blutzucker – mit Zustimmung von Patienten warnen Devices, sollte es zu Unstimmigkeiten bei Vitalparametern kommen. Als niedrigschwellige Anlaufstelle könnten Apotheker zuerst die Adhärenz prüfen beziehungsweise nach Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen fahnden. Im kürzlich veröffentlichte Report „Perspektive E-Health: Consumer-Lösungen als Schlüssel zum Erfolg?“ berichtet Deloitte von zusätzlichen Potenzialen. Der Unternehmensberatung zufolge nutzen rund 45 Prozent aller Deutschen digitale Gesundheitsangebote schon heute auf ihrem Smartphone oder Tablet-Computer. Apps gelangen jetzt vom zweiten auf den ersten Gesundheitsmarkt.
Technik allein kann pharmazeutische Kompetenzen nur erweitern, aber nicht ersetzen. Das Institut für Handelsforschung (IFH) hat jetzt 242 Apothekenleiter nach ihren Erfahrungen befragt. Ein paar Resultate: Etwa 42 Prozent des Beratungsaufkommens entfällt auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, gefolgt von OTCs (35,2 Prozent), Artikeln des apothekenüblichen Ergänzungssortiments (10,7 Prozent) und medizinischem Bedarf (9,0 Prozent). Weitere Qualifikationen wurden vor allem zu Diabetes (83,5 Prozent), Hautpflege, Kosmetik und Sonnenschutz (76,5 Prozent), Asthma (69,1 Prozent) sowie Naturheilverfahren und Homöopathie (65,4 Prozent) erworben. Schön und gut, nur fällt es bereits heute zwei von drei Apotheken schwer, gut ausgebildetes Personal zu finden. Wie die Treuhand Hannover berichtet, sind etwa 35 Prozent aller Chefs älter als 55. Innerhalb von zehn Jahren stehen 6.300 Hauptapotheken und 1.200 Filialen zum Verkauf. Schon heute haben Inhaber Schwierigkeiten, geeignete Nachfolger zu finden. Personalsorgen quälen sie auch bei der Suche nach Angestellten. Der Fachkräftemangel hat Apotheken längst erreicht.
Ohne beratungsaktives Personal wird es aber kaum gehen, das zeigen Zahlen zum Sortiment: Öffentliche Apotheken erwirtschaften mehr als 80 Prozent ihres Umsatzes mit Rx-Präparaten und knapp zehn Prozent mit OTCs. Verschreibungspflichtige Arzneimittel haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen – aufgrund der schnellen Akutversorgung, aber auch aufgrund verbotener Rx-Boni bei Versendern. Optimierte Chronikertherapien und teure Innovationen treiben Arzneimittelausgaben bei Krankenkassen um etwa drei bis vier Prozent pro Jahr nach oben. Bei Pharmazeuten kommt davon nur wenig an. Noch ein Blick auf OTCs: Nachdem öffentliche Apotheken seit 2004 über mehrere Jahre hinweg insgesamt zwölf Prozent des Packungsvolumens an Versender verloren hatten, verlangsamt sich diese Tendenz. Zwei mögliche Gründe: gute Beratungen und die schnelle Verfügbarkeit vor Ort.