Gealtertes Gewebe hat keine Chance auf Erneuerung? Falsch, zeigt eine Kölner Studie. Auch gealterte Stammzellen können ihre Funktion zurückgewinnen. Wie das geht, lest ihr hier.
Ein internationales Forschungsteam der Universität zu Köln und der Universität Helsinki hat entdeckt, dass die Kapazität von Stammzellen, sich zu teilen und Organe zu erneuern, vom Grad der Versteifung des umliegenden Gewebes abhängt. Diese Erkenntnis ist wichtig, um Wege zu finden, die Regenerierungsfähigkeit gealterter Gewebe zu verbessern. Älteres Gewebe wird steifer. Dadurch nimmt die Funktion der Hautstammzellen ab.
Im Tiermodell zeigten die Wissenschaftler jedoch, dass auch gealterte Stammzellen ihre Funktion zurückgewinnen können, wenn sie auf ein jüngeres Gewebe gesetzt werden. Das deutet darauf hin, dass die Funktion von Stammzellen in gealterten Geweben durch Veränderungen der mechanischen Eigenschaften des umliegenden Gewebes beeinflusst werden kann. Die Arbeit ist in Nature Cell Biology erschienen.
Die Haut und ihre Haarfollikel werden ständig erneuert, um ihre Funktion als Schutzbarriere zwischen der Außenwelt und unserem Körper aufrechtzuerhalten. Dieser ständige Gewebeumsatz hängt von der Aktivität und Gesundheit spezialisierter Stammzellen ab, die sich in der Hautepidermis und den Haarfollikeln befinden. Eine eingeschränkte Funktion oder eine reduzierte Anzahl von Stammzellen führt zur Alterung. „Obwohl die kritische Rolle von Stammzellen bei der Alterung bekannt ist, wissen wir noch wenig über die Mechanismen, die die Stammzellfunktionen in gealtertem Gewebe tatsächlich beeinträchtigen. Der Haarfollikel mit seinen gut erforschten Funktionen und klar identifizierbaren Stammzellen war ein perfektes Modellsystem, um diese wichtige Frage zu untersuchen“, sagt Gruppenleiterin Prof. Sara Wickström.
Um zu verstehen, wodurch sich gealterte Stammzellen funktionell von jüngeren unterscheiden, untersuchte das Team die Unterschiede in der Art und Weise, wie die DNA in Chromatin in gealterten und jungen Haarfollikel-Stammzellpopulationen verpackt ist. „Es war spannend, zu sehen, dass das Chromatin in gealterten Stammzellen weniger zugänglich ist – vor allem in der Umgebung von Genen, die für die Stammzellaktivierung und Zellerneuerung verantwortlich sind“, sagt Dr. Janis Köster, der Erstautor der Studie.
Weitere Untersuchungen ergaben, dass diese verringerte Zugänglichkeit zu einer verringerten Reaktion der Stammzellen auf ein Regenerierungssignal führten, was die Erneuerung des Haarfollikels verzögerte. „Überraschenderweise konnte die verringerte Funktionalität der Stammzellen wieder voll hergestellt werden, wenn sie in junge Mäuse übertragen wurden. Das deutet darauf hin, dass in erster Linie die gealterte Mikroumgebung für die Alterung verantwortlich ist, nicht ein Defekt in den Stammzellen selbst“, erklärt Köster.
Das Team untersuchte daraufhin mithilfe von Massenspektrometrie mögliche Unterschiede in junger und alter Haut, um globale Unterschiede in den Proteinspiegeln zu quantifizieren. „Wir beobachteten, dass die meisten Veränderungen Bestandteile des Bindegewebes und speziell Proteine betrafen, die für die mechanischen Eigenschaften und die strukturelle Integrität der Haut wichtig sind“, sagt Dr. Yekaterina Miroshnikova, die zweite Erstautorin. Daraus ergab sich die Hypothese, dass gealtertes Bindegewebe, und insbesondere die Basalmembran steifer sein könnte als jüngeres Gewebe, obwohl es unter dem Mikroskop lasch und brüchig wirkt. Mechanische Messungen bestätigten diese Hypothese.
Um schließlich zu testen, ob die Versteifung tatsächlich die Stammzellfunktion beeinflusst, isolierte das Team das Bindegewebe aus Hautbiopsien junger und alter Mäuse. Junges Bindegewebe förderte die Selbsterneuerung sowohl junger als auch alter Stammzellen, gealtertes Bindegewebe jedoch nicht. Darüber hinaus zeigten Mäuse mit genetischen Mutationen in Kollagen XIV und Tenascin X, zwei Bestandteile, die die Mikroumgebung der Haarfollikel-Stammzellen innerhalb der Haut steifer machen, einen vorzeitigen Rückgang der Stammzellfunktion.
„Besonders fasziniert hat uns die Beobachtung, dass Mutationen in Kollagen XIV und Tenascin X die Stammzellfunktionen beeinträchtigen, da Mutationen in Tenascin X auch eine menschliche Krankheit, das Ehlers-Danlos-Syndrom, verursacht. Dabei leiden Patienten unter einer makroskopisch hyperelastischen, aber sehr fragilen Haut, die nicht gut heilt.“ Auch der normale Alterungsprozess kann diese Art von Problemen mit sich bringen. Die Studie könnte darauf hindeuten, dass verschiedene Krankheiten mit veränderten mechanischen Eigenschaften der Mikroumgebung von Stammzellen einhergehen. Das eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität zu Köln. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Andres Siimon, Unsplash