Unser Gedächtnis speichert neuen Erkentnissen zufolge nicht nur bewusste, sondern auch unbewusste Erlebnisse ab. Besonders spannend: Das Gehirn löscht diese Eindrücke nicht.
Unsere alltäglichen Erlebnisse speichern wir automatisch in unserem sogenannten episodischen Gedächtnis ab. Bisher gingen Forscher davon aus, dass nur bewusst Erlebtes dort gespeichert wird und das Verhalten beeinflusst. Eine neue Studie der Universität Bern zeigt nun, dass auch unbewusst Erlebtes gesichert wird.
Für die Studie wurden Probanden für das Bewusstsein unsichtbare Filme präsentiert und später das Erinnerungsvermögen getestet. Die Filmbilder wurden so kurz gezeigt, dass das Gehirn am Weiterverarbeiten gehindert wurde. So konnte gewähleistet werden, dass die Szenen lediglich unbewusst registriert wurden.
Dass die Filme dennoch im Detail langzeitgespeichert wurden, erkannten die Wissenschaftler an den Reaktionszeiten der Antworten, welche die Probanden nach der Testsituation abgaben. „Das Testverhalten zeigt, dass die unbewusst aufgenommenen filmischen Handlungen unser Verhalten unbemerkt beeinflussen können", sagt Prof. Katharina Henke, Hauptautorin der Studie.
Zudem entdeckten die Forscher, dass nur bewusst gelerntes, aber nicht unbewusst gelerntes Episodenwissen einem Vergessensprozess unterliegt. „Interessanterweise können wir viele komplexe Sachverhalte unbewusst in unserem episodischen Gedächtnis langzeitspeichern, ohne etwas zu vergessen. Das ist beim bewussten Lernen im episodischen Gedächtnis noch nie beobachtet worden: Was man bewusst gelernt hat, vergisst man zumindest teilweise wieder", so Henke.
Diese Ergebnisse sind fundamental: Einerseits widerlegen die Ergebnisse die Lehrbuchmeinung, wonach nur bewusst Registriertes im episodischen Gedächtnis abgespeichert wird. Andererseits zeigen sie, dass komplexe Ereignisse unbewusst registriert, langzeitgespeichert und verhaltenswirksam werden können.
Gedächtnisforscherin Henke nimmt an, dass im Vergleich zur bewussten Erinnerung weniger Nervenzellen für die Speicherung einer unbewussten Erinnerung herangezogen werden. Beim unbewussten Lernen speichert eine Nervenzelle bloß eine einzige Erinnerung ab und nicht mehrere Erinnerungen wie beim bewussten Lernen. So kommt es vermutlich zu weniger Überschneidungen von Gedächtnisspuren beim unbewussten Lernen und daher zu geringerem Vergessen.
Die Studienergebnisse könnten auch für Betroffene von Amnesie oder Demenzerkrankungen von Bedeutung sein: Man solle diese Patienten ermutigen, auf ihr Bauchgefühl zu hören, weil so Informationen aus dem unbewussten episodischen Gedächtnis abgerufen werden und auf das Verhalten einwirken können, sagt Henke.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Bern. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Artikel verlinkt.
Bildquelle: NordWood Themes, unsplash