„80 Prozent aller positiven Schnelltests sind falsch-positiv“ – so eine aktuelle Schlagzeile. Was ist an dieser Zahl dran?
„80 Prozent der positiven Corona-Schnelltests falsch-positiv“, heißt es in der Süddeutschen Zeitung für die zweite Juniwoche. Demnach habe sich der Anteil falsch-positiver Ergebnisse bei Corona-Schnelltests in Hamburg in den vergangenen Wochen deutlich erhöht. Laut Andreas Grutzeck, dem sozialpolitischen Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, stelle sich „die generelle Frage, wie aussagekräftig die Schnelltests tatsächlich noch sind“.
Dr. Marco Binder, Virologe und Forschungsgruppenleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, hat sich zu dem Thema geäußert: „Der Anteil an falsch-positiven Tests liegt in Hamburg im genannten Zeitraum bei ca. 0,02 % (also nur einer von 5.000 durchgeführten Tests ist fälschlicherweise positiv). Das ist fast besser, als man erwarten würde.“ Dabei verwies er zusätzlich auf einen Thread von Prof. Christoph Rothe, Inhaber des Lehrstuhls für Statistik an der Universität Mannheim.
Auch RapidTest hat sich dazu geäußert, und betonte, dass 84 % aller positiven Selbsttests richtig sind.
Nach Binders Einschätzungen gebe es demnach keine Änderungen in der Aussagekraft der Tests und ihrer Verlässlichkeit. Die Falsch-Positiv-Rate sei sogar deutlich besser als erwartet, es handle sich um eine völlig normale Statistik.
Zu betonen ist, dass Antigen-Schnelltests nicht als einziges Mittel der Pandemiebekämpfung eingesetzt werden, sondern als zusätzliche Public-Health-Maßnahme, die bei regelmäßger und breiter Anwendung ansteckende Personen schneller und häufiger erkennen und somit einen maßgeblichen Beitrag zur Pandemie-Eindämmung leisten.
In einer deutschen Studie konnten die Selbsttest mit einfachem Nasenabstrich ähnlich gute Ergebnisse wie ein durch Fachpersonal durchgeführter Schnelltest erziehlen, auch wenn die meisten Probanden leicht von der Anleitung abgewichen sind. Demnach wurde eine Sensitivität von 82,5 % ermittelt, hingegen lag sie bei professioneller Testung bei 85,0 %. Laut Autoren konnten sich die Teilnehmer mit Verdacht auf eine COVID-19-Infektion zuverlässig mit den Antigen-detecting rapid diagnostic tests (Ag-RDT) selbst testen. Zudem führten sie auf, dass Selbsttests zu verbreiteten und häufigeren Tests führen, was eine erhebliche Auswirkung auf die Pandemie haben könne.
Hochfrequenztests mit geringer Sensitivität im Vergleich zu Niederfrequenztests mit hoher Sensitivität. Quelle: RapidTestEntscheidend bei Schnelltests, inklusive der Selbsttests, sind Schnelligkeit und Regelmäßigkeit, um die Pandemie einzudämmen. Da sie weniger sensitiv sind und nur hohe Viruskonzentrationen nachweisen, erkennen sie infektiöse Personen spezifisch und können Infektionsketten durchbrechen.
Das Frauenhofer ITWM hat die Auswirkungen der drei Maßnahmen Impfung, Kontaktbeschränkung und Testung untersucht. In einer Pressemitteilung wurde den Schnelltests eine „tragende Rolle beim Brechen der dritten Welle“ zugeschrieben. Untersucht wurden dafür die dem Robert-Koch-Institut gemeldeten Infektionszahlen für Deutschland sowie für vier ausgewählte Bundesländer.
Demnach trugen alle drei Maßnahmen in ähnlicher Größenordnung dazu bei, die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren, jedoch sieht die Forschungsgruppe bei den flächendeckenden Schnelltests ohne symptomatischen Anlass den stärksten Effekt. Sie trugen zur Aufklärung der Dunkelziffer bei, da die Entdeckungsrate erhöht wurde: Infizierte, die keine Symptome zeigten oder sich in ärztlicher Behandlung befanden, wurden zusätzlich erfasst.
Immer wieder kommt aber die Sorge auf, dass Tests eine Infektion mit der Delta-Variante nicht erfassen. Die Antigentests testen auf das Nukleokapsid-Protein (N-Protein). Die meisten relevanten Mutationen der Variants of Concern (VOC) des SARS-CoV-2, auch bei der Delta Variante, liegen jedoch im Spike-Protein (S-Protein) vor.
„Wenn dort nur sehr geringe Veränderungen stattfinden, ist es sehr unwahrscheinlich, dass man durch einen doch sehr groben Antigen-Schnell-Test dort entsprechende Veränderungen beziehungsweise schwächere Nachweise oder ähnliches erhalten würde“, sagt Dr. Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbandes deutscher Laborärzte, in Bezug auf das N-Protein.
Eine Preprint-Studie befasste sich mit der Sensitivität von neun kommerziell erhältlichen Ag-RDTs für die VOC Alpha, Beta und Gamma, und verglich diese mit der Variante B.2.620 aus der ersten Welle. Dabei wurden die Tests wie nach Herstelleranweisungen durchgeführt, indem 5 µl der unterschiedlichen Virus-Verdünnungen getestet wurden. Die allgemeine Sensitivität und Spezifität für einzelne Isolate variierte zwischen den Ag-RDTs, wobei der Assay mit der besten Leistung bei Verdünnungen von nur 2,43 Log10 OFU/ml positiv war und die weniger empfindlichen Assays positiv bei 4,54 Log10 PFU/ml.
Die Autoren betonen, dass Tests auf analytische Sensitivität mit kultivierten Viren klinische Daten nicht vollständig ersetzen können, die Daten jedoch beruhigende Ergebnisse für die Verwendung von Ag-RDTs zur Diagnose von VOCs liefern. Das Team um Prof. Isabella Eckerle, Virologin am Geneca Centre for Emerging Viral Diseases und Autorin der Studie, forscht aktuell auch an der analytischen Performance der Tests für Delta.
Die MöLab GmbH hat ihre eigene Ag-Testkassette auf Antigene von 29 Mutanten von SARS-CoV-2 getestet. Darunter auch die Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta. Auf Anfrage von DocCheck wurden uns die Ergebnisse mitgeteilt. In der Studie wurden Antigene vom Wildtyp des SARS-CoV-2 und 29 mutierte Varianten auf eine finale Konzentration von 0,1 ng/ml und 1 ng/ml verdünnt. Jede Probe wurde mithilfe der Coronavirus-Ag-Testkassette getestet. Dabei konnte für jede der Verdünnungen ein positives Testergebnis erfasst werden. Somit lag die Detektionsrate bei 100 %.
Bei beiden Studien handelt es sich um keine klinischen Untersuchungen, aber es wird deutlich, dass die Tests auch Mutanten erfassen können.
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