„Verfassungs- und europarechtlich höchst problematisch, wenn nicht gar unmöglich“ – so beschreibt der Bundesverband Deutscher Versandapotheken die Passage zum Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag. Aus Sicht niedergelassener Apotheker sind es erfreuliche Entwicklungen.
Im neuen Koalitionsvertrag spielen öffentliche Apotheken explizit eine Rolle. Der Entwurf enthält zwei für Pharmazeuten relevante Passagen. Was können Kollegen von der neuen Regierung erwarten?
Union und Sozialdemokraten haben sich fest vorgenommen, den Mangel an Gesundheitsfachkräften anzugehen. In den letzten Jahren mussten einige Schulen aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten ihre Pforten schließen. Über Gebühren konnten sie den Betrieb nicht mehr finanzieren. Deshalb sollen Gesundheitsfachberufe wie pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) vom Schulgeld befreit werden. Apotheker dürften sich über einen anderen Passus aber weitaus mehr freuen. „Zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehören für uns neben einer gut erreichbaren ärztlichen Versorgung auch eine wohnortnahe Geburtshilfe, Hebammen und Apotheken vor Ort“, schreiben die Koalitionspartner in spe. „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.“ Letztlich ist es Christdemokraten und Christsozialen gelungen, alle Passagen gegen den Widerstand von Sozialdemokraten durchzusetzen.
Standesvertreter reagieren mit Erleichterung: „Es ist eine vernünftige Entscheidung, die Apotheken vor Ort zu stärken“, sagt ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in einer ersten Stellungnahme. „Gesundheitspolitik ist Strukturpolitik. Und die Arzneimittelversorgung ist ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitspolitik.“ Jetzt hoffen Apotheker, dass die neue Bundesregierung bald ihre Arbeit aufnimmt und ihren Worten auch Taten folgen lässt. Sie führen rückläufige Zahlen an Betriebsstätten unter anderen auf „Holland-Boni“ zurück. Laut ABDA existierten Ende 2017 nur noch 19.748 öffentliche Apotheken. Das sind 275 (1,4 Prozent) weniger als ein Jahr zuvor (2016: 20.023).
Wenig überraschend kritisiert der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) entsprechende Pläne aus Berlin. Man bedauere sehr, dass „im jetzt vorgelegten Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD zwei Passagen auftauchen, wo man sich für ein Versandverbot mit verschreibungspflichtigen Medikamenten einsetzen will“, heißt es in einer Mitteilung. „Zwar lässt diese Formulierung Interpretationsspielraum zu. Allerdings bringt sie auch zum Ausdruck, dass sich die Unionsparteien mit einer Politik gegen Innovation und Zukunftsausrichtung in dieser Frage entschieden haben.“ BVDVA-Chef Christian Buse geht noch einen Schritt weiter. Er hält gesetzliche Einschränkungen für „verfassungs- und europarechtlich höchst problematisch, wenn nicht gar unmöglich“. Als Alternative bringt Buse strukturelle Förderungen in der Fläche zusammen mit einem Höchstpreissystem ins Gespräch. Bleibt zu befürchten, dass SPD-Genossen beim Mitgliederentscheid zwischen 20. Februar und 2. März nicht das letzte Wort haben werden. Vielmehr droht ein langwieriger Prozess durch alle Instanzen.