Zum zweiten Mal präsentierte der Spirit of Health-Kongress alternative Heilmethoden. Der bittere Beigeschmack: Skurrile, wirkungslose und teure „Therapien“ wecken vor allem bei unheilbar Kranken falsche Hoffnungen, die sogar gesundheitsgefährdend sein können.
Bereits im Vorfeld des umstrittenen Kongresses „Spirit of Health“ ging es hoch her. Xing Events hat seine Zusammenarbeit mit den Organisatoren aufgekündigt – nach Hinweisen des Deutschen Konsumentenbunds (DKB). Man sehe Hinweise, dass bei der Messe „ethisch-moralisch fragwürdige Dinge geschehen“, sagte Vorstandschef Professor Dr. Cai-Nicolas Ziegler. Auch das „Bündnis gegen Pseudomedizin und Quacksalberei“ warnte vor gefährlichen Heilmethoden. Und nicht zuletzt scheiterten alle Bemühungen des Autors, sich als Journalist offiziell zu akkreditieren. Medienvertreter scheinen unerwünscht zu sein. Inkognito gelang die Teilnahme trotzdem.
Ein Blick auf die illustre Dozentenschaft: Schon bei der Ankündigung von „Spirit of Health 2015“ warben Veranstalter mit Titeln, um Seriosität vorzugaukeln. Zwei Beispiele: „Dr.“ Andreas Kalcker und „Dr.“ Leonard Coldwell. Nachdem Vermutungen laut wurden, es handele sich um medizinische Laien, die akademische Würden über Titelhandelsfirmen erworben hätten, wurden DKB-Juristen aktiv. Kongressorganisatoren erhielten postwendend eine Abmahnung – und korrigierten ihre Agenda. Der ursprüngliche Programmentwurf ist über „Internet Archives“ zugänglich. Kritiker mag dieser Teilerfolg freuen. Trotzdem gelang es Wunderheilern, kritische Themen zu kommunizieren.
Einmal mehr steht das „Miracle Mineral Supplement“ im Fokus. Verschiedene Hypochlorite werden kurz vor der Einnahme mit Zitronensäure als „Aktivator“ gemischt. Dabei entwickelt sich giftiges Chlordioxid. Zuletzt war MMS zur Heilung von Krebs, Malaria oder chronischen Infektionen verkauft worden. Andreas Kalcker (ohne Doktortitel) bewertet die Salzmischung als hochwirksame Therapie für Autisten. Er hatte bereits in 2013 auf der Konferenz „AutismOne“ sein umstrittenes Konzept vorgestellt. Gemäß der „parasitären Vaccinose“ gelten Toxine von Parasiten als Ursache für Symptome. Zuhörer stellen entsprechende Thesen des geschickten Rhetorikers nicht infrage. Umso kritischer reagieren Medien. Zuletzt hatte das Magazin „Kontraste“ Kalcker böse vorgeführt. Journalisten mailten ihm ein Foto zerschnittener Schollenfilets mit dem Hinweis, diese Masse sei durch MMS-Einläufe bei autistischen Patienten abgegangen. Der selbsternannte Experte reagierte prompt – und erkannte im Bild einen angeblichen Seilwurm (rope worm, Funis Vermis). Diese Spezies ist bei Biologen unbekannt; sie gilt als Erfindung der MMS-Jünger. „Autismus ist heilbar“, schrieb Kalcker. Laien kaufen entsprechende Wundermittelchen vor allem über das Internet. Zuletzt stufte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) MMS als bedenkliches Arzneimittel ein. Werbung und Verbreitung stehen seither unter Strafe – ohne erkennbaren Erfolg. Grund genug für BfArM-Präsident Professor Dr. Karl Broich, zentrale Zuständigkeiten zu fordern. Videomitschnitt: Adrian Jones, Schwarze Salbe – Heilung von Brust- und Hautkrebs (SPIRIT OF HEALTH 2014)
Andere Länder sehen das Treffen mit weniger Toleranz. Kürzlich musste „Spirit of Health“ in den Niederlanden abgesagt werden – nach England und Irland der dritte Rückzug. Auch in Deutschland werden kritische Stimmen immer unüberhörbarer. Tatsache ist, dass es tatsächlich juristische Möglichkeiten gegeben hätte. Ein Blick auf das Heilmittelwerbegesetz. Der Staat stellt irreführende Werbung oder Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel unter Strafe. Apothekerkammern oder Ärztekammern hielten es nicht für nötig, sich mit der Materie inhaltlich zu befassen.