Ein Unikum: Erstmals seit Einführung der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) überschreiten Behörden die gesetzliche Frist, da sie Informationen erst deutlich verzögert bekamen. Im Mittelpunkt stehen sichere Arzneimittel.
Trotz einzelner Rückschläge sehen Forscher die Gentherapie als wirksame Methode an, um verschiedene Krankheiten zu therapieren. Ein erster Meilenstein: Mittlerweile wurde Alipogen Tiparvovec (Glybera®) zur Therapie der Lipoproteinlipasedefizienz zugelassen. Die Vorbedingungen: Trotz fettarmer Diät leiden Patienten an Pankreatitis-Schüben. Gleichzeitig müssen sie mindestens fünf Prozent des Normalwerts an Lipoproteinlipase aufweisen. Und nicht zuletzt gilt es, die Krankheit durch einen Gentest zweifelsfrei nachzuweisen.
Mit der Zulassung schien alles geregelt zu sein – bei Orphan Drugs gilt allein durch diese Formalie ein Zusatznutzen bis zur Umsatzgrenze von 50 Millionen Euro als belegt. Lediglich das Ausmaß des Zusatznutzens wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt. Erstmals hat das Gremium jetzt einen Beschluss ausgesetzt und die gesetzliche Bewertungsfrist überschritten. Was ist passiert? Ein Berichterstatter der europäischen Arzneimittelagentur EMA kommt zu dem Schluss, das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei negativ. „Auch wenn wir mit der Aussetzung des Verfahrens die gesetzliche Verfahrensfrist verletzen, ist die Entscheidung aus meiner Sicht richtig und alternativlos“, so Professor Dr. Josef Hecken, Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
Fehler im System gibt es trotzdem. So wurde der G-BA Hecken zufolge erst einige Tage nach der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC über wichtige Fakten informiert. Bereits in der 15. Kalenderwoche hatte der amerikanische Zulassungsinhaber die Börsenaufsicht mit Blick auf mögliche Geschäftsrisiken unterrichtet. Erst am 14. April meldete sich der Hersteller in Deutschland. „Ich hätte erwartet, dass angesichts des Wissens um das beim G-BA laufende Bewertungsverfahren zumindest eine zeitgleiche Unterrichtung von Börsenaufsicht und G-BA erfolgt, denn der Patientenschutz ist für mich in solchen Fällen wichtiger als mögliche geschäftspolitische Imponderabilien“, kritisiert Hecken.
Nicht die einzige Kontroverse um Glybera®. Erstattungspreise werden ebenfalls zum Thema. Pro Injektionslösung schlägt das neuartige Präparat mit knapp 54.000 Euro zu Buche. Die Gesamtkosten einer Therapie liegen bei 1,1 Millionen Euro. Ein falsches Kreuz auf der Verordnung – und Apotheker müssen Retaxationen befürchten.