Schwere Infektionsverläufe zuverlässig vorhersagen? Das kann ein Algorithmus, der darauf trainiert wurde, vireninfizierte Zellen sicher zu erkennen.
Adeno- und Herpesviren können dauerhafte, persistierende Infektionen verursachen, die nur unvollständig vom Abwehrsystem kontrolliert werden und über Jahre hinweg Viruspartikel produzieren. Die Folgen sind plötzliche, heftige Infektionen oder sogar schwerwiegende akute Erkrankungen der Lunge oder des Nervensystems.
Eine Forschungsgruppe der Universität Zürich zeigt nun erstmals, dass ein maschinell lernender Algorithmus jene Zellen, die mit Herpes- oder Adenoviren infiziert sind, allein anhand der Fluoreszenz des Zellkerns erkennen kann.
Die Analysemethode kombiniert die Fluoreszenzmikroskopie in lebenden Zellen mit dem sogenannten Deep Learning: Die Viren, die im Innern einer infizierten Zelle gebildet werden, verändern die Organisation des Zellkerns, was mit dem Mikroskop visualisiert werden kann. Um sie maschinell zu detektieren, verwendet die Gruppe einen Deep Learning-Algorithmus, ein künstliches neuronales Netzwerk. Dieses Netzwerk wird mit einer großen Menge an Mikroskopiebildern trainiert und extrahiert Muster, die für infizierte oder nicht infizierte Zellen charakteristisch sind. „Nach Abschluss von Training und Validierung erkennt das neuronale Netzwerk virusinfizierte Zellen automatisch“, sagt Forschungsleiter Urs Greber.
Außerdem sollen auch akut auftretende und heftig verlaufende Infektionen mit einer Genauigkeit von 95 % und bis zu 24 Stunden vorausgesagt werden können. Als Trainingsmaterial dienten Bilder lebender Zellen von lytischen Infektionen, bei der sich die Viruspartikel explosionsartig vermehren und sich die Zellen auflösen. Auch Bilder von persistenten Infektionen, bei denen Viren zwar kontinuierlich, aber nur in geringen Mengen produziert werden, wurden genutzt.
Trotz der großen Präzision ist noch offen, welche Merkmale infizierter Zellkerne das künstliche neuronale Netzwerk eigentlich erkennt, um die zwei Infektionsphasen zu unterscheiden. Einige Unterschiede hat die Gruppe bereits entdeckt: Der Innendruck des Zellkerns ist bei virulenten Infektionen größer als während persistenten Phasen. Zudem reichert eine Zelle mit lytischer Infektion die viralen Proteine schneller im Zellkern an. „Wir vermuten daher, dass ausgeklügelte zelluläre Prozesse bestimmen, ob sich eine Zelle nach dem Virenbefall auflöst oder nicht. Diesen und weiteren Fragen können wir nun nachgehen", sagt Greber.
Die Studienautoren sind überzeugt, dass ihre Entwicklung vielseitig anwendbar ist – etwa für Vorhersagen, wie menschliche Zellen auf andere Viren oder Mikroorganismen reagieren. „Das Verfahren eröffnet neue Wege, um Infektionen besser zu verstehen und um neue Wirkstoffe gegen Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien zu entdecken", ergänzt Greber.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Zürich. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: jasper benning. unsplash.