Hodenkarzinome können vergleichsweise gut behandelt werden. Eine große internationale Studie liefert jetzt neue Erkentnisse zu noch präziseren Therapien.
Hodenkrebs ist in Europa und den USA die häufigste Krebsart bei Männern unter 40 Jahren. Die nationale Statistik der Krebsliga gibt für die Schweiz 471 Neuerkrankungen und 12 Todesfälle an. Grundsätzlich sind die Aussichten für eine erfolgreiche Therapie von Hodenkrebs gut, insbesondere wenn die Diagnose früh gestellt werden kann. Auch wenn bereits Metastasen vorhanden sind, kann Hodenkrebs bei geeigneter Therapie in der Mehrzahl der Fälle erfolgreich behandelt werden.
Die primäre Behandlung bei Hodenkrebs besteht in der Entfernung des befallenen Hodens. Häufig wird die Krankheit aber erst in einem Stadium entdeckt, in dem bereits Metastasen vorliegen. Dann ist nach dem primären chirurgischen Eingriff eine Folgebehandlung mit Medikamenten oder Bestrahlung notwendig.
Nun wurden neue Daten ausgewertet, um eine detailliertere Klassifikation der metastasierten Krankheitsstadien vornehmen zu können. Das Ziel ist, Therapien noch gezielter zu planen und auszuführen. Prof. Jörg Beyer, Mitinitiator des Studienprojektes und Erstautor einer der beiden Publikationen des IGCCCG Update Consortiums schätzt: „In vielen Fällen können wir die Medikation möglicherweise etwas zurückhaltender anwenden. Zugleich haben wir eine erhöhte Sicherheit, dass uns keine aggressiven Erkrankungen entgehen. Der Patient profitiert so zweifach von der neuen Klassifikation: von geringerer Belastung durch die Chemotherapie und von mehr Sicherheit in Bezug auf das Ergebnis.“
Die bisherigen Behandlungsrichtlinien stützten sich auf Erhebungen aus den Jahren 1975–1990 mit insgesamt 5.862 Patienten. Die neue Studie hat diese Ergebnisse mit neueren Daten aus den Jahren 1990–2013 und einer grösseren Anzahl Patienten verglichen.
Das Forschungskonsortium untersuchte Daten aus 30 Zentren in 17 Ländern (Australien, Europa, Russland und Amerika). Die Studie schloss die Dokumentation von 12.149 Patienten mit metastasierendem Hodenkrebs ein. Ein besonderes Augenmerk wurde auf mögliche Kriterien gelegt, die zu einer verfeinerten Klassifizierung beitragen könnten.
Beim Vergleich der neuen Studienergebnisse mit den älteren Daten hat sich gezeigt, dass sich die Prognose in allen Fällen deutlich verbessert hat. In der Klassifikation „gute Prognose“ stieg das 5-Jahres-Überleben von 86 % auf 95 %. Und in der Gruppe mit einer „mittleren Prognose“ stieg dieser Wert von 72 % auf 88 %.
Am eindrucksvollsten war die Verbesserung in der Gruppe mit weit metastasierter Erkrankung und der schlechtesten Prognose. Dort stieg das 5-Jahres-Überleben von 48 % auf 67 %. Prof. Daniel Aebersold, Direktionsvorsitzender des UCI, Tumorzentrum Bern, stellt dazu fest: „Die Studie weist die Fortschritte der Krebstherapie in eindrücklicher Weise aus: In nur gut zwanzig Jahren ist es gelungen, die Aussichten auf ein langfristig tumorfreies Leben nach einer Erkrankung an Hodenkrebs erheblich zu verbessern.“
In einem nächsten Schritt wird es darum gehen, die Erkenntnisse des Konsortiums in Therapierichtlinien aufzunehmen und die Belastungen der Krebstherapie zu reduzieren. Weiter sind neue Ansätze bei der Behandlung von metastasierendem Hodenkrebs zu berücksichtigen, die derzeit etwa in einer SAKK-Studie untersucht werden und auf eine Kombination von Radio- und Chemotherapie zielen.
Es ist davon auszugehen, dass die optimierten Therapien für Hodenkrebs in den kommenden Jahren zu einer weiter verbesserten Prognose bei gleichzeitig reduzierter Behandlungsintensität führen werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Bern. Die Originalpublikationen findet ihr hier und hier.
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