Ein beginnendes Lungenemphysem kann im Tierversuch durch Dunkelfeld-Bildgebung sicher diagnostiziert und in verschiedene Schweregrade eingeteilt werden. Eine frühzeitige Therapie könnte die Lebenserwartung von Betroffenen entscheidend verbessern.
Anders als bei der konventionellen Röntgenbildgebung, deren Funktionsweise auf der unterschiedlichen Absorption von Röntgenstrahlen beim Durchtritt durch Gewebe basiert, wird mit der neuartigen Dunkelfeld-Bildgebung die Streuung von Röntgenstrahlen im Gewebe sichtbar gemacht. Diese Streuung tritt zum Beispiel an Grenzflächen zwischen Luft und Gewebe auf. Aus diesem Grund bildet das Dunkelfeld-Bild die Lunge in idealer Weise ab: Da das Grundgerüst der Lunge aus sehr vielen kleinen Lungenbläschen besteht, an denen der Gasaustausch zwischen Blut und Atemluft stattfindet, ergeben sich unzählige Luft-Gewebe-Grenzflächen. Beim Durchtritt durch die gesunde Lunge wird die Röntgenstrahlung in alle Raumrichtungen gestreut, wodurch ein starkes Dunkelfeld-Signal entsteht. Im Verlauf eines Lungenemphysems werden die Alveolen nach und nach zerstört und die Anzahl der Luft-Gewebe-Grenzflächen ist reduziert. Treten Röntgenstrahlen durch eine vom Emphysem betroffene Lunge, werden diese daher weniger gestreut. Im Tierversuch wurde ein deutlicher Signalabfall im Dunkelfeld-Röntgenbild der Lunge festgestellt. Dabei zeigt die Signalstärke des Dunkelfeldbildes eine exzellente Korrelation mit der Gewebe-Beschaffenheit der Lunge. In der Maus zeigt sich ein deutlicher Signalabfall im Dunkelfeld-Röntgenbild (untere Zeile) der vom Emphysem betroffenen Lunge. Im konventionellen Bild (obere Zeile) ist die Krankheit selbst für den Experten nicht zuverlässig erkennbar. © Klinikum der Universität München Somit kann die Dunkelfeld-Bildgebung auch ein beginnendes Lungenemphysem sicher diagnostizieren und sogar eine Einteilung in verschiedene Schweregrade der Erkrankung ermöglichen. Dies ist in der konventionellen Transmissions-Bildgebung auf Grund der geringen Dichte des Lungengewebes nicht möglich. Im konventionellen Röntgenbild kann die Diagnose "Lungenemphysem" zumeist erst sehr spät gestellt werden, nämlich erst dann, wenn die Lunge deutlich überbläht ist und sich zum Beispiel die Proportionen der knöchernen Brustwand ändern, oder das Zwerchfell durch die überblähte Lunge flach gedrückt wird.
Es ist davon auszugehen, dass etwa eine Million Menschen in Deutschland ein Lungenemphysem haben, wobei vor allem rauchende Männer und Frauen jenseits des 50. Lebensjahres betroffen sind. Die Zerstörung der Lungenbläschen hat zur Folge, dass sich die Lungenoberfläche verkleinert und der Sauerstoffgehalt im Blut sinkt. In der Folge leiden die Patienten an Atemnot, Husten, blaugefärbten Lippen und Fingernägeln und einem fassförmig aufgeblähten Brustkorb. Geheilt werden kann ein Lungenemphysem derzeit nicht, aber eine optimale Therapie kann das Fortschreiten der Krankheit deutlich verlangsamen. Eine frühere Diagnose mittels Dunkelfeld-Bildgebung könnte durch eine geeignete Behandlung die Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen entscheidend verbessern.
Mit dem Dunkelfeld-Röntgen ergeben sich aber auch weitere völlig neue Anwendungsmöglichkeiten in der Lungen-Bildgebung. Zum Beispiel könnte die Technik Verwendung bei Screening-Untersuchungen, bei Verlaufsbeobachtungen oder bei Therapie-Studien finden – ganz ohne Zuhilfenahme der Computertomographie, die deutlich strahlungsintensiver ist. Die neuartige Röntgentechnik findet derzeit noch keine Anwendung in der klinischen Praxis. Bisher konnte die Überlegenheit der Methode in der Diagnostik des Lungenemphysems an lebenden Mäusen gezeigt werden. Eine Überführung der Ergebnisse in eine klinische Anwendung ist Hauptziel der aktuellen Forschungsaktivitäten. Originalpublikation: In Vivo Dark-Field Radiography for Early Diagnosis and Staging of Pulmonary Emphysema Katharina Hellbach et al.; Investigative Radiology, doi: 10.1097/RLI.0000000000000147; 2015