Von der EMA wird der Einsatz von Dexamethason bei COVID-19-Patienten mit Sauerstoffgabe befürwortet. Doch wie wirkt es sich tatsächlich auf die Immunantwort aus?
Glukokortikoide werden häufig zur Behandlung von infektiösen und nicht infektiösen Erkrankungen eingesetzt, die eine fehlregulierte Immunantwort beinhalten. Bei einer SARS-CoV-2-Infektion ist der Einsatz von Glukokortikoiden, wie Dexamethason, zu einer Standardtherapie im hospitalisierten Patienten geworden. Jedoch ist noch nicht viel über die virologischen Auswirkungen bekannt. Eine aktuelle Studie der Berliner Charité analysierte die Auswirkungen auf die Viruskonzentration und Antikörperantwort in einer Beobachtungskohorte hospitalisierter immunkompetenter COVID-19-Patienten.
Insgesamt umfasste die Kohorte 216 Patienten, von denen 202 nicht immunsupprimiert waren und in die Analyse aufgenommen wurden. Die Patienten wurden in der Studie nach nationalen Richtlinien behandelt, dabei erhielten 101 Probanden 6 mg Dexamethason oral oder intravenös. Die in der Studie eingeschlossenen Patienten hatten eine SARS-CoV-2-Symptomdauer von minimal 7 Tagen und benötigten mindestens eine Sauerstofftherapie. Die Viruskonzentration wurde wöchentlich über eine RT-PCR zur Quantifizierung der SARS-CoV-2-RNA ermittelt. Als Antikörpernachweis wurde während des Krankenhausaufenthalts der Probanden wöchentlich eine S1-ELISA durchgeführt.
In der SARS-CoV-2 RNA-Konzentration konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Patienten, die Dexamethason einnahmen und denen, die keine Glukokortikoid-Therapie erhielten, festgestellt werden. Im Mittel war die Viruslast von unter 106 Viruskopien/ml in der Dexamethason-Gruppe 17 Tage nachweisbar und in der anderen Gruppe 19 Tage lang. In der Analyse der Serokonversion zeigten sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen im IgA oder IgG S1-ELISA Test. Die Zeit vom Symptombeginn bis zur Serokonversion betrug im Schnitt in der Dexamethason-Gruppe für IgA 11,5 Tage und für IgG 13 Tage. In der Kontrollgruppe waren es 14 Tage und 12 Tage für IgA und IgG.
Laut der Autoren führte die Anwendung von Dexamethason bei schweren COVID-19-Infektionen zu Bedenken bezüglich nachfolgender Verzögerungen in der Virusbeseitigung. Insgesamt zeigt die Studie, dass der Einsatz von einer standardisierten Therapie mit Dexamethason gegen COVID-19 nicht zu einer langsameren Virusbeseitigung oder Antikörperreaktion im immunkompetenten Patienten führt. Zusätzlich konnten eine kürzere Krankenhausaufenthaltsdauer und ein Trend zur reduzierten Entwicklung von mechanischer Beatmung und Dialyse beobachtet werden.
Eine genaue Analyse der Auswirkungen von Dexamethason auf die Virusbeseitigung und die adaptive Immunantwort würde randomisierte und kontrollierte Studien erfordern, was basierend auf den bisher gesammelten Daten nicht möglich sei, heißt es in der Publikation. Außerdem wird die Aussagekraft durch die relativ kleine Stichprobengröße der Studie limitiert, sodass keine demografischen und klinischen Parameter, die die Antikörperkinetik beeinflussen konnten, ausgeglichen wurden. Dennoch weisen die Autoren darauf hin, dass auch solche Erkenntnisse im klinischen Management und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft berücksichtig werden sollten.
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