Nicht nur Apotheker spüren einen deutlich ansteigenden Druck im Markt. Auch Herstellern machen Konzentrationsprozesse zu schaffen. Eine neue Studie zeigt, mit welchen Trends alle Akteure zu rechnen haben – und welche Maßnahmen erforderlich sind.
Von Februar bis März 2015 hat Sempora Consulting, eine strategische Managementberatung, Health Professionals befragt, welche Trends sie im Apothekenmarkt erwarten. Beteiligt waren 45 Entscheider aus der pharmazeutischen Industrie und 203 Apotheker. Um die Sichtweise von Laien mit einzubeziehen, kamen 560 Konsumenten mit hinzu.
Übereinstimmend gaben Industrievertreter zu Protokoll, der Markt werde sich weiter konzentrieren. Etwa 63 Prozent erwarten neue Firmenübernahmen – vor allem im OTC-Bereich. Und 54 Prozent vermuten, dass internationale Konzerne den deutschen Markt stärker als bislang für sich erobern. Für Hersteller tun sich zwei Strategien auf: die Akquise neuer Firmen oder die Aufnahme einzelner Produkte in das eigene Portfolio. Analysten sind von diesen Aussagen wenig überrascht. Beispielsweise kamen interessante Kandidaten für einen möglichen Ebola-Impfstoff von Start-Ups. Kein Einzelfall: Gilead hat Sofosbuvir (Sovaldi®) nicht selbst entwickelt, sondern Anfang 2012 von einer kleinen Firma für 11,2 Milliarden US-Dollar erworben. Auch bei Apotheken kommt es zu weiteren Konzentrationsprozessen.
Sowohl Inhaber als auch Entscheider aus der Industrie erwarten, dass sich die Zahl öffentlicher Apotheken weiter verringern wird. Ihr Szenario: 1.500 Einheiten weniger innerhalb von fünf Jahren. Zuletzt hatte die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Statistiken veröffentlicht. Mit 20.441 Apotheken wurde Ende 2014 der niedrigste Stand seit 1992 (20.350) erreicht. Konsolidierungsprozesse verschärfen sich auch durch die zunehmende Filialisierung. Inhaber entscheiden sich häufig zur Gründung weiterer Dependancen, um wirtschaftlich größere Spielräume zu haben. Bei der Sempora-Studie gaben 40 Prozent aller befragten Apotheker an, diesen Weg künftig einzuschlagen – zwölf Monate zuvor waren es noch 30 Prozent. Jeder dritte Industrievertreter oder Inhaber befürchtet auch, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot mittelfristig kippen könnte. Es brodelt im Apothekenkessel.
Jetzt sind OTC-Hersteller aufgewacht. Etwa 70 Prozent gaben an, die zunehmende Filialisierung erfordere eine Neuausrichtung entsprechender Firmensegmente. Und 67 planen, stärker als bislang mit Apothekenverbünden zusammenzuarbeiten. Sie stocken ihr Key Account Management auf oder bereiten Konzepte vor. Auf Großhandelsebene hat AEP direkt „erste Impulse gesetzt“, schreibt Sempora. Nach einer Klage der Wettbewerbszentrale prüfen Gerichte, ob Konditionen des Grossisten gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), Paragraph 2, und gegen das Arzneimittelgesetz (AMG), Paragraph 78, verstoßen. Zuvor hatte das Landgericht Berlin Dr. Thomas Trümper per einstweiliger Verfügung in die Schranken verwiesen. Der Phagro-Chef stellte vermeintliche Zusammenhänge zwischen dem Antikorruptionsgesetz und Einkäufen bei AEP her. Health Professionals zeichnen Sempora zufolge ein durchwachsenes Bild vom neuen Grossisten. So sprechen 29 Prozent der Hersteller von einer erfolgreichen Etablierung im Markt. Und 34 Prozent der Apotheker bewerten AEP als „attraktive Alternative“. Demgegenüber gibt es für die Gesamtleistung eine magere 3,5 (Hersteller) beziehungsweise 4,1 (Apotheker), jeweils in Schulnoten gemessen. Noch ist der Kampf zwischen Großhändlern nicht zu Ende.
Apropos Konkurrenz: Rund 72 Prozent der befragten Hersteller sehen im Versandhandel weiterhin große Potenziale. Rankings zufolge hat die shop-apotheke.com die Nase vorn (Note 1,9), dicht gefolgt von der europa-apotheek.com und apo-rot.de (beide 2,0). Alle untersuchten Versender verbesserten sich im Schnitt von der Note 3,0 in 2014 auf eine 2,7. Letztlich werden auch hier die Großen der Branche bestehen bleiben – aufgrund attraktiver Preise bei OTCs und Kosmetika. Präsenzapotheken setzen als Gegenmaßnahme verstärkt auf Beratungs- und Serviceangebote. Kunden nehmen entsprechende Services aber nach wie vor recht selten in Anspruch.
Firmen haben zeitgleich ganz andere Sorgen. Je größer der Konkurrenzdruck wird, desto stärker versuchen sie, mit einer strategischen Markenführung Land zu gewinnen. „Hier haben viele OTC-Hersteller noch erheblichen Nachholbedarf“, kritisiert Sempora. Führende Produkte im Bereich Markenimage sind Aspirin, Sinupret und Mucosolvan. Bei diesen OTCs stimmen aus Sicht von Apothekern die Wirksamkeit, Kernbotschaften, der Auftritt und das Preis-Leistungs-Verhältnis. Selbst in diesem Segment gibt es noch Defizite hinsichtlich der Erinnerung. Konsumenten kamen bei Mucosolvan auf 28, bei Sinupret auf 12 und bei Aspirin auf 11 Prozent. Konzernen ist es bislang nur ansatzweise gelungen, OTC-Marken so zu positionieren, dass sie sich bei Laien einprägen. Etwas besser sieht die Situation bei Apothekern aus. Hier stand Mucosolvan an erster Stelle (55 Prozent Wiedererkennung), gefolgt von Sinupret (37 Prozent) und Aspirin (15 Prozent). Hinsichtlich der Claim-Zuordnungen hatten Ratiopharm (94 Prozent), Iberogast (88 Prozent) und Prospan (87 Prozent) die Nase vorn. Eine optimale Markenführung gilt Sempora zufolge als großes Thema im OTC-Bereich.