Curevacs Impfstoff wirkt schlechter als erhofft. Die mRNA-Vakzine von Biontech und Moderna bieten deutlich besseren Schutz. Liegt das an der mRNA oder doch an den neuen Corona-Varianten?
Lange war es still um das Tübinger Biotechunternehmen Curevac. Jetzt meldet es sich mit enttäuschenden Nachrichten über seinen Impfstoff zurück. Die Ergebnisse einer Zwischenauswertung der zulassungsrelevanten Phase-IIb-/III-Studie zeigen, dass ihr Vakzin schlechter wirkt als erwartet. Für die Markteinführung des Impfstoffs CVnCoV bedeutet das einen herben Rückschlag. Die EU hatte sich bis zu 405 Millionen Dosen des Herstellers gesichert. Ob und wann Curevac liefern kann, bleibt weiter unklar.
In einer Pflichtmitteilung des Unternehmens von Mittwochnacht räumt das Unternehmen ein: „In einer bislang beispiellosen Umgebung mit mindestens 13 Varianten innerhalb der untersuchten Teilmenge der Studienteilnehmer in dieser Zwischenanalyse erzielte CVnCoV eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine COVID-19-Erkrankung jeglichen Schweregrades und erreichte damit nicht die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien.“ Curevac will die laufende Studie bis zur finalen Analyse fortsetzen, da sich die endgültige Wirksamkeit noch ändern könne, heißt es in der Mitteilung. Für eine Notfallzulassung fordern unter anderem WHO und FDA eine Wirksamkeit von mindestens 50 Prozent.
Die HERALD-Studie wurde mit rund 40.000 Probanden in zehn Ländern in Lateinamerika und Europa durchgeführt. In der zweiten Zwischenanalyse wurden 134 Fälle untersucht, die mindestens zwei Wochen nach der zweiten Impfung auftraten. Um die Virusstämme zu identifizieren, die innerhalb der Studie die jeweilige Infektion ausgelöst haben, wurden bisher 474 COVID-19-Fälle sequenziert. 124 davon erfüllten die Bewertungskriterien und wurden in die vorliegende Wirksamkeitsanalyse einbezogen.
Nur in einem einzigen Fall handelte es sich um das ursprüngliche SARS-CoV-2-Virus, heißt es in der Pressemitteilung. Mehr als die Hälfte der Fälle (57 %) wurden durch sogenannte besorgniserregende Varianten verursacht. Die meisten der verbleibenden Fälle betrafen weniger erforschte Varianten wie Lambda oder C.37 (21 %), die zuerst in Peru, und B.1.621 (7 %), die zuerst in Kolumbien, auftrat.
CVnCoV basiert wie die Impfstoffe von Biontech und Moderna auf der RNA-Technologie. Die Impfstoffe enthalten dabei in einer Lipdidhülle die Bauanleitung für das Spike-Protein im Form von mRNA. Während Biontech und Moderna allerdings auf modifizierte mRNA setzen – bei der unter anderem das Nukleosid Uridin durch Pseudouridin ersetzt wird – kommt bei Curevac unmodifizierte mRNA zum Einsatz. Das Immunsystem reagiert auf die modifizierte mRNA schwächer als auf die unmodifizierte, weswegen der Impfstoff niedriger dosiert werden muss. Das galt lange als Vorteil, denn CVnCoV ist dadurch günstiger als die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna. Doch die schlechtere Wirksamkeit könnte womöglich darauf zurückzuführen sein.
Prof. Peter Kremsner, Leiter des Tübinger Tropeninstituts und Studienleiter der Curevac-Studie erklärt: „Wir konnten nicht hoch genug dosieren wie das die anderen gemacht haben.“ Dies hänge mit dem Einsatz der unmodifizierten mRNA zusammen, so Kremsner. Die anderen Impfstoffhersteller hätten 30 und 100 Mikrogramm verabreicht. „Mit der Curevac-Impfung konnten wir nur 12 Mikrogramm geben. Dann wurde es zu unverträglich, wenn man weiter höher dosiert hat.“ Das könnte sich laut Kremsner nun als Hauptnachteil herausstellen.
Doch womöglich spielen auch die neuen Corona-Varianten eine Rolle. Schon länger war klar, dass CVnCoV die Wirksamkeit von Biontechs Comirnaty® nicht erreichen kann – die Zulassungsstudien bescheinigten Comirnaty® vor Monaten eine Wirksamkeit von 95 Prozent. Damals zirkulierte hauptsächlich die ursprüngliche Corona-Variante, auf denen die Impfstoffe basieren. „Seit Beginn des Jahres hat sich die COVID-19-Realität stark verändert“, erklärte Curevac-Chef Franz-Werner Haas heute in einer Pressekonferenz. „Der ursprüngliche Virusstamm, den wir im Jahr 2020 bekämpft haben, ist heute durch die Ausbreitung anderer Virusvarianten und das Auftreten neuer Virusstämme so gut wie verdrängt worden.“
Bislang gibt es noch keine vergleichbaren großangelegten Wirksamkeitsstudien zu den anderen mRNA-Impfstoffen. Doch laut der Ergebnisse einer kleinen britischen Veröffentlichung ist Comirnaty® zu 88 Prozent wirksam gegen die Delta-Variante. Das ist schon deutlich mehr als die 47-prozentige Wirksamkeit von CVnCoV. Auch Laborstudien zeigten bislang immerhin, dass Comirnaty® dazu in der Lage ist, neutralisierende Antikörper gegen die Varianten Alpha, Beta und Gamma zu erzeugen. Ob sich der Biontech-Impfstoff auch gegen die weniger erforschten Varianten wie Lambda behaupten kann, ist noch nicht bekannt.
Doch Curevac gibt noch nicht auf. In zwei bis drei Wochen will das Unternehmen die finale Analyse der zulassungsrelevanten Studie veröffentlichen. Zudem stellte Curevac in einer heutigen Pressekonferenz noch unveröffentlichte Daten für einen weiteren Impfstoff-Kandidaten in der Pipeline vor: CV2CoV ist ein Impfstoff der zweiten Generation und eine modifizierte Version ihres ersten Vakzins. Die präklinischen Daten zeigen eine schnellere Immunreaktion und höhere Antikörpertiter im Vergleich zu CVnCoV und sehen damit zumindest vielversprechend aus.
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