Eine Pause lohnt sich doch: Das zeigen neue Daten zum übergangsweisen Absetzen von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern bei COVID-19. Die Ergebnisse im Detail.
Während der COVID-19-Pandemie hat sich herauskristallisiert, dass überwiegend Personen höheren Alters mit Vorerkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankung, Hypertonie oder Diabetes mellitus, vom schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion betroffen sind.
SARS-CoV-2 dringt über Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) in die menschliche Zelle ein, welches eine wichtige regulatorische Rolle im Renin Angiotensin System (RAS) spielt. Inhibitoren des RAS können demnach ACE2 hochregulieren und die Expression in diversen Organen anregen. Solche pharmazeutischen Präparate werden häufig von Betroffenen zur chronischen Behandlung eingenommen. Eine österreichisch-deutsche Studie stellte demnach die Hypothese auf, dass das Absetzen einer chronischen Behandlung mit ACE-Inhibitoren (ACEIs) oder Angiotensin-II-Rezeptorblockern (ARBs) den Verlauf von COVID-19 mildert.
Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck und des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München führten zur Aufklärung der Hypothese eine prospektive, randomisierte, kontrollierte und offene Parallelgruppenstudie durch, die nun im renommierten Fachjournal The Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht wurde. „Es bestand in der Fachgemeinschaft Konsens, dass nur kontrollierte, randomisierte Interventionsstudien diese dringende Frage klären können“, sagen die beiden verantwortlichen Autoren Axel Bauer, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Medizinischen Universität Innsbruck und Steffen Massberg, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am LMU Klinikum.
Die Studie wurde an 35 Zentren durchgeführt, davon waren 19 Universitätskliniken und 16 große Überweisungskliniken. Die geeigneten Probanden waren im Mittel 75 Jahre alt, hatten eine kürzlich aufgetretene symptomatische SARS-CoV-2-Infektion, die durch ein positives RT-PCR-Testergebnis innerhalb der letzten 5 Tage bestätigt wurde und wurden chronisch mit ACEIs oder ARBs behandelt. Insgesamt nahmen 204 Probanden an der Studie teil, wobei 104 die ACEI-ARB-Therapie für 30 Tage unterbrachen und 100 die Therapie weiterhin fortführten. Relevante Organfunktionen durch standardisierte Tests wurden täglich in beiden Gruppen festgehalten, um etwaige Effekte sensitiv zu erfassen.
Zwar hatte das Absetzen der Medikamente keinen direkten Effekt auf die Schwere der Infektion, jedoch zeigte sich, dass diese Patientengruppe sich rascher und besser erholte. Im Vergleich zu der Gruppe, die die chronische Behandlung fortführte, wiesen in dieser Gruppe nur noch halb so viele Probanden Organschädigungen auf oder waren verstorben. „Im Gegensatz zu bisherigen Studien, die deutlich jüngere Patienten eingeschlossen haben, liefert unsere Studie erstmals Hinweise, dass gerade ältere, vorerkrankte Personen von einem zeitweisen Pausieren einer Therapie mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern profitieren könnten“, so Bauer und Massberg.
Die Autoren betonen jedoch, dass es sich dabei um eine einzelne Studie handelt und die Erkenntnisse nicht verallgemeinert werden sollten: „Es kann im Einzelfall sinnvoll sein, eine Therapie im Rahmen einer akuten COVID-19-Erkrankung zweitweise auszusetzen. Die Entscheidung muss jedoch ärztlich getroffen werden. Hierbei gilt es, die Indikation für die Medikamente, die Verfügbarkeit alternativer Therapien und ambulanter Überwachungsmöglichkeiten sorgfältig zu berücksichtigen. In jedem Fall ist es wichtig, dass mit der Einnahme der wichtigen Medikamente nach überstandener Erkrankung auch wieder begonnen wird.“
ACEI und ARB gehören zu den weltweit am meisten verschriebenen Medikamentenklassen und haben auch ihre berechtige Funktion gegen bestimmte chronische Krankheiten. Eine SARS-CoV-2-Infektion ist eine zeitweise auftretende Krankheit, die besonders Personen mit Vorerkrankungen hart treffen kann.
Demnach ist bei jedem Patienten individuell Risiko und Nutzen abzuwägen, ob sich ein Absetzen der medikamentösen Behandlung lohnt, um die Erholungsphase bei COVID-19 zu begünstigen. Auch wenn ein klarer Trend in den Forschungsergebnissen ersichtlich wurde, sollten noch weitere unabhängige Studien mit einer höheren Probandengröße erfolgen, um diese Ergebnisse zu bestätigen.
Bildquelle: Nathan Shively, unsplash