Weltweit erkranken Millionen Menschen an vermeidbaren Infektionen – oft mit Todesfolge. Das berichten Epidemiologen der WHO. Wer jetzt nur an schlecht entwickelte Länder denkt, irrt sich gewaltig: Auch in Deutschland gibt es Nachholbedarf.
Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO jetzt berichtet, würden Schutzimpfungen heute zwei bis drei Millionen Leben retten - pro Jahr. Defizite gibt es trotzdem: Jahr für Jahr sterben etwa 1,5 Millionen Menschen aufgrund fehlender Routineimpfungen. Jedes fünfte Kind sei weltweit nicht hinreichend geschützt.
WHO-Angaben zufolge hat der Aktionsplan aus 2012 seine hehren Ziele teilweise verfehlt. Es geht aber nicht nur um Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten. Im Jahr 2013 seien weltweit 145.000 Menschen an Masern gestorben – bei 16 Prozent aller Kinder fehle der entsprechende Schutz. Aufgrund von Fehlern bei der Applikation und aufgrund mangelnder Akzeptanz ist es in vielen Ländern, beispielsweise in Indien, bis heute nicht gelungen, Masern-Ausbrüche zu kontrollieren. Die WHO Initiative for Vaccine Research testet deshalb inhalative Vakzine. Eine randomisierte, kontrollierte Studie lieferte enttäuschende Resultate. So führte der Aerosol-Impfstoff bei 85,4 Prozent zur Serokonversion. Im Studienarm mit dem subkutanen Impfstoff waren es 94,6 Prozent. Auch hier bringt die Anwendung Probleme mit sich: Kinder atmen per Gesichtsmaske 30 Sekunden lang das Aeosol ein. Für schlecht erschlossene Gegenden bringt diese Technologie nur wenig Mehrwert.
In Deutschland wurden Masern in den letzten Monaten ebenfalls zum Thema. Hermann Gröhe (CDU) fordert eine Impfpflicht. „Wir müssen auch der Panikmache einiger Impfgegner entgegentreten”, sagte der Bundesgesundheitsminister in Berlin. „Wer ohne medizinische Notwendigkeit seinem Kind den Impfschutz verweigert, schadet nicht nur diesem Kind, sondern auch Kindern, die zum Beispiel zu klein sind, um geimpft zu werden, oder Kindern, die tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.” Diese Ansicht teilen nicht alle Beteiligten. „Es kann Situationen geben, in denen man zeitlich und räumlich beschränkt über so etwas nachdenkt“, so Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts. „Wir müssen die Menschen zum Impfen motivieren und aktiver auf die Bevölkerung zugehen, vor allem auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ja eher selten zum Arzt gehen.“