Das Bindeglied zwischen dem Kaposi-Sarkom-assoziierten Herpesvirus (KSHV) und chromosomaler DNA ist das Latency-Associated Nuclear Antigen (LANA). Ein Komplex aus dreien dieser LANA-Einheiten erfasst die virale DNA des KSHV und bindet das Virus an das Erbgut.
Das Kaposi-Sarkom-assoziierte Herpesvirus (KSHV) verursacht verschiedene Krebserkrankungen, wie beispielsweise das namensgebende Kaposi-Sarkom, das durch die unkontrollierte Vermehrung von Blutgefäßzellen in der Haut gekennzeichnet ist. Im Normalfall liegt das Virus im Körper latent vor. Erst wenn das Immunsystem des Patienten geschwächt ist, wird es aktiv und für den Menschen gefährlich.
Um in den sich ständig teilenden Körperzellen zu überleben, muss es sich an das Erbgut der menschlichen Zellen hängen. Diese Verankerung der viralen DNA ist für das KSHV überlebenswichtig. Zu diesem Zweck hat das Virus deshalb ein Protein gebildet, das ihm als Anker dient: das sogenannte „Latency-Associated Nuclear Antigen“ (LANA). „Ohne dieses Protein würde das Virus die Zellteilung nicht überstehen“, sagt Dr. Christiane Ritter. „Daher ist die genaue Kenntnis über den Verankerungsmechanismus für die Entwicklung von möglichen Medikamenten von großem Interesse.“
„Das LANA-Molekül bietet gleich mehrere Angriffspunkte für die Therapieentwicklung gegen durch das Virus verursachte Krankheiten. Die Bindung von LANA an die virale DNA durch einen Wirkstoff selektiv zu blockieren ist dafür ein sehr erfolgversprechender Ansatz“ sagt Dr. Thorsten Lührs. Ihm und seinen Kollegen ist es nun erstmals gelungen, den dreidimensionalen Aufbau des DNA-bindenden Moduls von LANA in direktem Kontakt mit einem kurzen Abschnitt viraler DNA zu entschlüsseln. Um die Kontaktfläche zwischen LANA und der viralen DNA mit annähernd atomarer Auflösung sichtbar machen zu können, kristallisierten die Forscher das DNA-bindende Modul von LANA zusammen mit viraler DNA. Anschließend klärten sie die entsprechende Kristallstruktur am Teilchenbeschleuniger „PETRA III“ des Deutschen Elektronensynchrotrons in Hamburg auf. Diese Methode legt die molekularen Details der Kristallbausteine - hier also des LANA-DNA-Komplexes – offen.
„Dank dieser Methoden haben wir neben der Aufklärung der Struktur auch noch eine bisher unentdeckte, dritte Bindestelle für den Anker auf der viralen DNA entdeckt, deren Existenz unsere Partner an der Medizinischen Hochschule Hannover auch in Experimenten nachweisen konnten“, sagt Jan Hellert, Erstautor der Studie. Räumliche Struktur des molekularen Chromosomen-Ankers aus dem KSHV-Virus. © HZI/Hellert Die Kombination der beiden Ergebnisse erlaubt es den Forschern, ein Modell zu zeichnen, das erklärt, wie ein Komplex aus drei LANA-Einheiten die virale DNA erfasst. So konnten sie die Funktion des Komplexes entschlüsseln. „Damit haben wir nicht nur einen wesentlichen Schritt zur Entwicklung neuer Medikamente beigetragen, sondern darüber hinaus auch einen Beitrag für das Verständnis von Virus-Mensch-Interaktionen während der Latenzphase eines Tumor-Virus auf molekularer Ebene beitragen“, sagt Ritter. Originalpublikation: The 3D structure of Kaposi sarcoma herpesvirus LANA C-terminal domain bound to DNA Jan Hellert et al.; PNAS, doi: 10.1073/pnas.1421804112; 2015