Auffrischungsimpfungen werden immer wahrscheinlicher. Vollständig Geimpfte haben deutlich weniger neutralisierende Antikörper gegen die Delta-Variante als gegen den Wildtyp. Die neuesten Biontech-Daten.
Die Corona-Variante aus Indien scheint das Immunsystem besonders gut austricksen zu können. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie, die in The Lancet erschienen ist. Sie ist die bis dato größte Studie, die die impfstoffinduzierte Antikörperbildung gegen die neuesten Varianten untersucht.
Das Forscherteam analysierte Antikörper im Blut von 250 gesunden Menschen im Alter von 33 bis 52 Jahren bis zu drei Monate nach Erhalt ihrer ersten oder zweiten Dosis des Biontech-Impfstoffs. Das Team suchte dabei nach neutralisierenden Antikörpern und verglich die Antikörperkonzentration gegen fünf Corona-Varianten miteinander (zur Übersicht der neuen Corona-Namen geht es hier lang):
Dabei zeigte sich, dass Personen, die vollständig mit zwei Dosen geimpft sind, im Vergleich zum ursprünglichen Stamm knapp 6x weniger Antikörper gegen Delta, 5x weniger gegen die Beta-Variante sowie 2,6x weniger Antikörper gegen Alpha aufweisen.
Die Antikörperreaktion war sogar noch geringer bei Personen, die nur eine Dosis erhalten hatten. Nach einer einzigen Dosis von Pfizer hatten 79 % der Personen neutralisierende Antikörper gegen den ursprünglichen Stamm, 50 % wiesen Antikörper gegen Alpha auf, nur 32 % gegen die Delta-Variante und gerade einmal 25 % der Personen hatten neutralisierende Antikörper gegen Beta im Blut. Wegen dieser Beobachtung unterstützen die Forscher aktuelle Pläne, den Abstand zwischen den Impfdosen zu verringern.
Die Antikörperspiegel gegen Delta und Beta scheinen insbeondere bei älteren Menschen niedriger zu sein und mit der Zeit abzunehmen. Die Daten deuten darauf hin, dass einige Geimpfte im Herbst eine Auffrischungsimpfung benötigen.
„Der Vergleich dieser Antikörpertiter mit früheren Daten zur Wirksamkeit des Impfstoffs deutet darauf hin, dass der Impfstoff möglicherweise etwas weniger Schutz gegen eine Infektion mit der Delta-Variante bietet als gegen andere Varianten“, kommentiert Prof. Eleanor Riley, Immunologin der University of Edinburgh die Ergebnisse. „Diese Daten können uns jedoch nicht sagen, ob der Impfstoff weniger wirksam bei der Verhinderung von schweren Erkrankungen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen ist.“ Es gebe Gründe, in dieser Hinsicht optimistisch zu sein, meint Riley, da auch andere Immunantworten (z. B. T-Zellen) zum Schutz vor schweren Erkrankungen beitragen und diese möglicherweise weniger von den Mutationen betroffen sind, die die Antikörperneutralisation beeinflussen.
„Neue Varianten kommen natürlich vor, und diejenigen, die einen Vorteil haben, werden sich verbreiten“, sagt Dr. David Bauer, PhD, Hauptautor und Gruppenleiter des Francis Crick Institute's RNA Virus Replication Laboratory, in einer Pressemitteilung des Instituts. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, unsere Impfstrategien schnell anzupassen, um den Schutz dort zu maximieren, wo wir wissen, dass die Menschen am anfälligsten sind. [...] Diese Arbeit kann uns helfen, die Veränderungen in dieser neuen Phase der Pandemie zu steuern.“
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