Ein klares Nein zur Rastertherapie. Das ist das Ergebnis der Proteste gegen Spahns neuesten Vorstoß zur Versorgung psychisch Kranker. Fachverbände freuen sich – aber bleiben besorgt.
Mit einem Änderungsantrag zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) sorgte der Gesundheitsausschuss des Bundestages kürzlich für einigen Ärger (wir berichteten). Darin hieß es, dass die Versorgung psychisch Erkrankter in Deutschland bis Ende 2022 auf Bedarfsgerechtigkeit und Schweregradorientierung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu prüfen sei.
Die wichtigsten Kritikpunkte deutscher Fachverbände: Zum einen orientiere Therapie sich bereits an Bedarf und Schweregrad, auch gemäß der Psychotherapie-Richtline des G-BA. Und zum anderen fühlten deutsche PsychotherapeutInnen sich durch den Änderungsvorschlag in ihrer beruflichen Expertise angegriffen. Auch auf Twitter meldeten sich Experten, Betroffene und Praktizierende unter dem Hashtag #RasterPsychotherapie kritisch zu Wort.
Alle eint die Sorge, dass PatientInnen zukünftig streng nach Raster therapiert werden und – gerade im Bereich Psychotherapie – durch ebendieses Raster schnell fallen könnten. „Solche Raster-Psychotherapie ist das Ende qualitativ hochwertiger und an der einzelnen PatientIn orientierte Versorgung. Es ist zu befürchten, dass künftig mit einem rigiden Raster festlegt wird, wie schwer PatientInnen erkrankt sein müssen, um eine Behandlung zu erhalten und wie viele Therapiestunden ihnen zustehen“, so unter anderem Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), zum Thema.
Doch das ist jetzt vom Tisch: Das Bundesgesundheitsministerium hat den Änderungsantrag gestrichen. Laut einer Pressemitteilung der BPtK sei der Vorschlag „als als nicht zielführend ‚abgeräumt’ worden.“ Auch die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) vermeldet die Nachricht als Erfolg in den sozialen Medien:
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Doch ein schaler Beigeschmack bleibt. So schreibt ein Journalist auf Twitter: „[D]as Signal war deutlich: Dem Gesundheitsministerium ist eine patientenorientierte Behandlung offenbar ein Dorn im Auge. Das Ziel ist die möglichst schnelle Abfertigung.“
Auch die Verbände hatten zuletzt das Klima der Diskussion infrage gestellt. Der Vorschlag sei sehr kurzfristig eingereicht worden und berücksichtige die aktuelle Situation in Deutschland in keinster Weise. Wie unter anderem die BPtK berichtet, müssen rund 40 Prozent aller psychisch Erkrankten 3–9 Monate auf den Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung warten. „Der Versuch, angesichts solch massiver Mängel in der Versorgung, das Angebot an ambulanter Psychotherapie durch holzschnittartige Vorschriften beschneiden zu wollen, war grotesk“, so Munz. Der Protest von PatientInnen und TherapeutInnen sei daher berechtigt – und hat nun auch zum Erfolg geführt.
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