Daumen-Test zum Selbstdurchführen: Dadurch soll man erkennen können, ob ein erhöhtes Risiko für ein thorakales Aortenaneurysma besteht. Was ist dran?
Die meisten Menschen wissen nicht, dass sie ein Aortenaneurysma haben, bis es auf einem Scan entdeckt wird oder rupturiert. Eine US-amerikanische Studie im American Journal of Cardiology stellt nun eine simple Untersuchung der Daumen-Flexibilität vor, um (zumindest einige) stille Aneurysmen zu entdecken und lebensbedrohlichen Rupturen zuvorzukommen.
Als Aortenaneurysma bezeichnet man eine pathologische, begrenzt irreversible Aufweitung der Aortenwand, die tödlich sein kann, wenn sie unentdeckt bleibt. Die meisten Menschen mit Aortenaneurysma sind sich nicht bewusst, dass sie eines haben. Denn bisher werden Aortenaneurysmen entweder als Zufallsbefund durch bildgebende Verfahren wie CT, Ultraschall und MRT oder bei einer akuten Ruptur entdeckt. Letzteres ist ein besonders fataler Notfall, der mit Massenblutung und schwerer Schocksymptomatik mit Kreislaufstillstand einhergehen kann. Dann ist eine schnellstmögliche gefäßchirurgische Behandlung mittels Coiling oder Stents und Gefäßendoprothesen unerlässlich.
Vor diesem Hintergrund plädieren viele Ärzt:innen für ein zumindest einmaliges Screening auf Aortenaneurysmen. Da ein entstehendes Aortenaneurysma sich lange asymptomatisch präsentiert, ist ein gezieltes Screening besonders erschwert. Die pauschalen, ungezielten Screenings haben dagegen nur eine sehr geringe Trefferquote. Mit ihrer schnellen, klinischen Untersuchung erhofft sich die Forschungsgruppe der Yale University School of Medicine, zumindest einige stille Aneurysmen besser erwischen zu können – und zwar konkret jene, die sich im Bereich der Aorta ascendes im Thorax befinden. Die sind zwar seltener als Aneurysmen der Bauchaorta, aber besonders gefährlich und besonders schwer zu operieren.
Däumchen drehen
Der Selbsttest, der in einer Studie im American Journal of Cardiology vorgestellt wurde, ist einfach durchzuführen. Der Daumen wird so weit wie möglich über die Handfläche in Richtung des kleinen Fingers gestreckt. Überragt der Daumen die ulnare Handkante sei dies ein Anzeichen für ein erhöhtes Aneurysmarisiko, und das sollte dann ärztlich im Sinne eines Screenings per Bildgebung überprüft werden.
Dass sich die Daumen im Test sehr weit dehnen lassen, könne ein Anzeichen für eine Bindegewebserkrankung im gesamten Körper sein, einschließlich der Aorta, so die Forschenden. Denn Defekte im Bindegewebe können durch erhöhte Elastizität zur Ausprägung von Gefäßerweiterungen wie Aneurysmen führen. Besonders prominent drückt sich dies zum Beispiel bei Patient:innen mit Marfan-Syndrom aus, eine autosomal-dominant vererbte Krankheit des Bindegewebes. Auch die Aorta ist häufig betroffen.
Nicht jeder Daumen birgt ein Risiko
Perfekt ist der Test nicht. In ihrer Studie berücksichtigten die US-Ärzt:innen insgesamt 305 Patient:innen, die aus unterschiedlichen Gründen einen herzchirurgischen Eingriff benötigten und dafür im Vorfeld ein Schluckecho erhielten. 30,6 % hatten ein Aneurysma der aufsteigenden Aorta, die anderen nicht. Der Daumentest wiederum war bei 10 der insgesamt 305 Proband:innen (3,3 %) positiv. Damit wurde zwar einerseits nur weniger als jedes zehnte Aneurysma der Aorta ascendens erkannt: Die Sensitivität betrug 7,5 %. Umgekehrt allerdings hatten fast alle mit positivem Daumentest ein thorakales Aneurysma, die Spezifität betrug 98,5 %.
Das heißt: Zumindest in diesem herzchirurgischen Kollektiv impliziert ein positiver Test eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit, ein thorakales Aortenaneurysma zu beherbergen. Ein negativer Test schließt ein solches Aneurysma allerdings bei Weitem nicht aus, und insbesondere sagt der Test auch nichts aus über Patient:innen mit den häufigeren abdominellen Aortenaneurysmen.
Um stille Träger von Aneurysmen der Aorta ascendens zu identifizieren, könne die Daumen-Untersuchung laut Forschungsgruppe einen wichtigen Beitrag leisten. Die Forschenden plädieren dafür, den Test klinisch zu nutzen, um gezielt zu screenen: „Das größte Problem bei der Aneurysma-Erkrankung ist das Erkennen der betroffenen Personen in der Allgemeinbevölkerung, bevor das Aneurysma reißt", sagt Dr. John A. Elefteriades, einer der Hauptautoren der Studie und Direktor des Aortic Institute am Yale New Haven Hospital in Connecticut.
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