In vielen Ländern Europas werden Blutkonserven bei jedem außergewöhnlichen Ereignis zur Mangelware. Trotzdem untersagen Behörden Männern, die Sex mit Männern haben, jegliche Blutspenden. Auf europäischer Ebene formiert sich Widerstand.
Deutschland, Februar 2015. Durch die Winterferien und durch eine starke Grippewelle fehlten in Berlin und Brandenburg plötzlich Blutkonserven. Kliniken rufen alle Bürgerinnen und Bürger an die Nadel. Nicht jeder Freiwillige ist willkommen: Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), dürfen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz kein Blut spenden – unabhängig von ihrem tatsächlichen Risikoverhalten. In den letzten Jahren kritisierten Interessenverbände, aber auch Ärzte, die geltende Praxis.
Mitte 2014 landete die Thematik beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Generalanwalt Paolo Mengozzi schrieb in seinem Schlussantrag, sexuelle Beziehungen zwischen zwei Männern seien allein kein Verhalten, das einen dauerhaften Ausschluss vom Blutspenden rechtfertige. Es ging zwar um Fälle aus Frankreich. Die Aussage lässt sich auf andere Staaten jedoch direkt übertragen. Verbiete eine Regierung allen homo- oder bisexuellen Männer die Blutspende, sei dies eine „offenkundige indirekte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Verbindung mit der sexuellen Orientierung“, so Mengozzi weiter.
Ende April fällten Richter schließlich ihr Urteil (C-528/13) – eine Gratwanderung zwischen Political Correctness und medizinischer Risikoabwägung. Darin heißt es, Blutspende-Verbote für MSM könnten in „bestimmten Situationen“ gerechtfertigt sein. Verantwortliche hätten jedoch zu klären, ob es keine geeigneten Alternativen anstelle des Verbots gäbe. Richter verweisen in diesem Zusammenhang auf Fragebögen, um ein potenziell riskantes Sexualverhalten zu identifizieren. Medizinisch etablierte Testmethoden gelten ohnehin als unverzichtbar, schließlich muss nicht jede Angabe der Wahrheit entsprechen. Ob homosexuelle Männer wirklich die am stärksten von HIV-Neuinfektionen betroffene Bevölkerungsgruppe sind, wie von der französischen Regierung behauptet, ist Gegenstand weiterer Anhörungen.