Neue orale Gerinnungshemmer (NOAKs) wie Rivaroxaban sorgen für Gesprächsstoff in Berlin. Während Heilberufler und Oppositionsvertreter massives Marketing kritisieren, wollen Regierungsvertreter davon nichts hören. Schwarz-Rot zieht sich geschickt aus der Affäre.
Warum steigen Verordnungszahlen bei manchen NOAKs derart rapide an? Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), nennt einen möglichen Grund: „Ich persönlich denke, dass das Marketing eine ganz entscheidende Rolle spielt. Ich habe selten eine derartige Kampagne gesehen wie bei diesen neuen Blutverdünnern. Es gibt eine Vielzahl von Artikeln in gekauften Zeitschriften der Industrie. Es gibt Meinungsführer, die ziemlich skrupellos diese neuen Medikamente propagieren, obwohl es dafür keinen klaren Grund derzeit gibt. Und es gibt Fortbildungsveranstaltungen, in denen so genannte Meinungsführer mit Interessenskonflikten auftreten und durch ihre Aussagen ganz wesentlich ein unkritisches Verordnungsverhalten fördern.“ Deutliche Worte. Jetzt fordert die Linkspartei Konsequenzen.
Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte bei der Linken, führt „alarmierende Kosten“ an. Und weiter: „Der Gerinnungshemmer Xarelto® ist 20 Mal teurer als Marcumar®-Nachahmer, aber meist ohne Zusatznutzen.“ In lediglich sechs Jahren hätten sich die Kosten der gesetzlichen Krankenkassen für dieses Medikament verzehnfacht. Alle heiklen Themen hat die Linke in einer kleinen Anfrage zusammengefasst und an die Bundesregierung geschickt – ohne durchschlagenden Erfolg.
Schwarz-Rot blieb in einer Antwort mehr als unverbindlich. Viele der Kritikpunkte seien „Gegenstand einer derzeit kontrovers geführten wissenschaftlichen Diskussion“. Zu möglichen Sicherheitsrisiken heißt es lapidar: „Erfahrungsgemäß werden Verdachtsfälle bei neuen Arzneimitteln wie den NOAKs, zum Beispiel Xarelto®, Pradaxa® oder Eliquis®, häufiger gemeldet als bei bereits lang eingeführten Vitamin K-Antagonisten. Bei der Interpretation von Daten aus dem Spontanmeldungsregister muss beachtet werden, dass es sich um Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen handelt.“ Ausgaben für Gerinnungshemmer explodierten von rund 68 Millionen Euro (2008) auf 675 Millionen Euro (2014). Grund zum Handeln sehen Regierungsvertreter aber nicht. Sie argumentieren mit der ärztlichen Therapiefreiheit. Zudem hätten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die Europäische Arzneimittelagentur EMA Rivaroxaban ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis bescheinigt. Kathrin Vogler zeigte sich von dem Schreiben enttäuscht und konstatierte, die Mehrkosten müssten alle Versicherten tragen.