Die Tasse Tee war zu groß und zu schwer für die kleinen Hände. Der Brustkorb von Theresa ist verbrüht, wie ich als Kinderarzt feststelle. Als es passierte, reagierte die Mutter mit besten Absichten – nur leider völlig falsch.
Die kleine Theresa ist drei Jahre alt und sollte heute zur U7a vorgestellt werden. Haben wir auch gemacht, sie ist gut drauf, spielt mit den Bauklötzen, kann schon alle Farben, zählt bis zehn („Eins, zwei, fünf, acht, ZEHN!“) und erklärt mir auf dem Sprachbogen, dass der Schmetterling besser fliege als der Fisch, der ja nur schwimmen kann.
Die rechte Seite ihres Brustkorbes ist verbrüht. Eine große, sicherlich zwanzig mal zwanzig Zentimeter messende Wunde zieht sich vom Brustbein hinüber zur rechten Schulter. Die Ränder sind noch gerötet, der Wundgrund mit weißen Salbenresten verklebt. Die Mutter erzählt, dass sich Theresa vor einer Woche eine Tasse Tee vom Tisch gezogen hat, zu groß, zu heiß, zu schwer zu halten für dreijährige Hände.
Die Erste-Hilfe-Maßnahme der Mutter bestand aus „Salbe“, die sie sofort aufgetragen habe. Die sei immer im Haus. Auf Nachfrage entpuppt sich die Salbe als normale Panthenolsalbe, herrlich beworben im Fernsehen, überall draufzuschmieren. Nein, von Kühlen oder lauwarm fließendem Wasser wusste die Mutter nichts. „Das hätte sie ja gar nicht mitgemacht“, sagt sie dazu.
Ich kann der Mutter gar nicht böse sein, sie hat in ihrem Verständnis alles richtig gemacht: Die gute Salbe aus der Fernsehwerbung benutzt, von Kühlen der Verbrühungswunde oder Vorstellung bei einem Arzt hatte sie noch nie etwas gehört.
Am Ende des Vorsorgeuntersuchung erzählt sie mir noch, dass sie sich von ihrem Mann vor zwei Monaten getrennt habe, und der Rosenkrieg sei im vollen Gange. Ihr Ex suche nach jeder Gelegenheit, die Erziehung oder Versorgung von Theresa schlecht zu reden. Jetzt hat sie Angst, eine Verbrühung könne ihr als Vernachlässigung ausgelegt werden.
Leider kann man bei einer sekundär heilenden Wunde nach einer Woche nichts mehr tun: Die Natur hilft sich letztendlich selbst und schließt die Wundränder. Allerdings ist die Narbenbildung und das Risiko einer Infektion so deutlich höher.
Ich bat die Mutter, Theresa wiedervorzustellen, wenn eine Rötung, also Entzündung über die Wundränder hinaus entstehen sollte. In einem Monat würde ich sie sowieso nochmal sehen, es steht noch eine Impfung an.
Bildquelle: R+R Medicinals, unsplash