Auf Basis langjähriger Beobachtungsdaten analysierten Marburger Zahnmediziner die Risikofaktoren für das Auftreten von Komplikationen bei Implantaten. Personen mit einer parodontalen Vorgeschichte sind demnach stärker durch Mukositis oder Peri-Implantitis gefährdet.
Rund 13 Millionen Zähne werden pro Jahr entfernt. Etwa eine Million davon werden durch Implantate ersetzt – Tendenz steigend. Bei 20 bis 40 Prozent der Zahnimplantate entstehen jedoch fünf Jahre nach der Eingliederung geringe bis erhebliche Entzündungen, zum Teil mit Verlusten an der Knochensubstanz. Um Risikofaktoren zu analysieren, beobachten Marburger Zahnmediziner in Langzeitstudien Erfolge und Misserfolge von Implantat-Versorgungen. Die Ergebnisse der Studien und die zugrundeliegende wissenschaftliche Patientendatenbank stellten sie beim Symposium „Peri-Implantitis“ am 9. Mai im Medizinischen Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Philipps-Universität Marburg vor. Rund 150 Zahnärztinnen und Zahnärzte nahmen an der Tagung teil. „Wir erforschen Risikofaktoren, um den Langzeiterfolg von Zahn-Implantaten zu verbessern“, sagt Prof. Dr. Reiner Mengel. Der Marburger Zahnmediziner hat in enger Zusammenarbeit mit den biometrischen und statistischen Abteilungen des Koordinierungszentrums für Klinische Studien der Philipps-Universität eine wissenschaftliche Datenbank etabliert. Sie erfasst die anonymisierten Daten der Implantat-Patienten der Marburger Zahnklinik. Die Forschenden berücksichtigten Daten wie etwa Vorerkrankungen, Rauchverhalten oder Medikamenteneinnahme – aber auch klinische Daten wie die Knochendichte. Die Patienten werden nach der Implantation in einem drei- bis sechsmonatigen Intervall, zum Teil schon seit über 20 Jahren, nachuntersucht: „Im Abstand von einem, drei, fünf, zehn, 15 und 20 Jahren nach der Implantation haben wir zudem mikrobiologische und Röntgenuntersuchungen vorgenommen“, erklärt Prof. Mengel. „Bislang sind Daten von über 300 Patientinnen und Patienten integriert. Das ist eine breite und belastbare empirische Datenbasis.“
Prof. Mengel und sein Team stellten in ihren Studien deutliche Unterschiede zwischen Fällen mit und ohne parodontaler Vorerkrankung fest. Die Implantat-Überlebensrate lag bei gesunden Patienten nach fünf Jahren bei 100 Prozent, bei Personen mit einer Entzündungsvorgeschichte bei 96 Prozent. Bei beiden Gruppen beobachteten die Forschenden jedoch Komplikationen: 40 Prozent der gesunden Patientinnen und Patienten bekamen eine Mukositis, zehn Prozent erlitten eine Peri-Implantitis, die zu Knochenabbau führt. Personen mit Vorerkrankung sind stärker gefährdet. 56 Prozent von ihnen bekamen eine Mukositis, 26 Prozent eine Peri-Implantitis. „Die langfristige Erfolgsrate bei Implantaten betrug somit bei den gesunden Patientinnen und Patienten 50 Prozent, im Falle von Vorerkrankung nur noch 33 Prozent“, resümiert Mengel das Studienergebnis.
„Bei der Frage nach Risikofaktoren können wir grundsätzlich zwischen sogenannten patientenbezogenen genetischen Faktoren, Umweltfaktoren und von Behandelnden verursachte Faktoren unterscheiden.“ Zu den „Umweltfaktoren“ zählen Rauchen, Stress, aber auch schlechte Mundhygiene. Zu den von den „Behandelnden verursachten Faktoren“ gehöre auch die Implantation in „insuffiziente Knochen“. Als einen weiteren Faktor nennt Reiner Mengel das Einsetzen von prothetischen Versorgungen, die Betroffene selbst nicht gut reinigen können. Diese Faktoren sind grundsätzlich von den Behandelnden beeinflussbar. Anders hingegen bei den „patientenbezogenen genetischen Faktoren“: „Hierzu gehört die Neigung zu Entzündungen im Mundraum durch internistische Erkrankungen“, sagt Prof. Mengel. Die Ergebnisse der Marburger Zahnmediziner sollen den Langzeiterfolg von Zahn-Implantaten steigern.