So richtig warm wurde ich mit meiner Hausärztin nie. Ihr Ansatz war mir etwas zu esoterisch. Aber dass sie sich als Corona-Leugnerin entpuppt, hätte ich nicht gedacht.
So fühlt sich also eine richtige Blasenentzündung an, dachte ich vor zwei Jahren. Erst mit Mitte 30 diese Erfahrung zu machen, ist ja schon fast Luxus. Andere kämpfen ihr ganzes Leben mit wiederkehrender Zystitis. Aber darum soll es in diesem Beitrag eigentlich gar nicht gehen, sondern um die Hausärztin, die ich wegen meiner Beschwerden damals aufsuchte. Nennen wir sie Frau Dr. Schmidt. Aufgrund eines Umzugs war es mein erster Besuch bei ihr. Und den empfand ich als etwas schräg, um ehrlich zu sein.
Nach einem Wochenende mit Fieberphasen und krampfartigen Schmerzen hatten die Beschwerden nachgelassen, zur Abklärung und zwecks Krankmeldung saß ich nun in Frau Dr. Schmidts Praxis. Die war gepflegt und die Wartezeit hielt sich mit einer Dreiviertelstunde in Grenzen. An den durchsichtigen Wänden des Wartezimmers war ein lebensbejahender Spruch zu lesen. Nicht jedermanns Sache (meine schon gar nicht), aber seis drum. Mein Name wurde gerufen und ich ging Richtung Sprechzimmer.
Frau Dr. Schmidt begrüßte mich mit einem sanften Hallo und wir setzten uns. Während ich meinem Gegenüber erzählte, wie es mir ging, wanderte mein Blick durch den kleinen Raum. An der Wand hing ein gemaltes Bild, darauf zu sehen ein bunter Lichtstrahl, der durch die Dunkelheit bricht. Als ich mit meinen Ausführungen fertig war, fragte sie mich, ob ich denn öfters eine Zystitis hätte. Ich verneinte. „Wissen Sie, es geht hier um eine Erkrankung, die sehr stark mit der Psyche zusammenhängt“, erklärte sie mir. „Bei Problemen mit der Blase steckt oft etwas Seelisches dahinter. Konflikte, die einen belasten, zum Beispiel mit der Mutter.“
Nun war ich zum einen in der glücklichen Lage, über keinen Konflikt klagen zu müssen. Und zum anderen war ich nicht gekommen, um mir etwas von der Seele zu reden, sondern wie anfangs erwähnt zur Abklärung und Krankschreibung. „Jedem hilft etwas anderes“, antwortete ich der Ärztin. „Ich bin sicher, dass viele Patienten das Bedürfnis haben, hier über problematische Beziehungen oder andere psychische Konflikte zu sprechen und ich finde es toll, dass Sie diese Möglichkeit anbieten. Das ist aber nicht das, was ich brauche. Mir geht es gut. Bis auf diese Blasenentzündung.“
Und damit war die Sache geklärt – wir gingen zu einer nüchternen medizinischen Abklärung über. Das Schlimmste sei überstanden und Antibiotika nun nicht mehr notwendig, wie mir die Medizinerin erklärte. Ich solle weiterhin viel trinken, um alles Schädliche auszuspülen. Der Termin endete mit einem Ausblick auf Impfauffrischungen, nach denen ich mich erkundigt hatte.
Doch hundertprozentig wohl hatte ich mich bei Frau Dr. Schmidt nicht gefühlt. Zuhause sah ich mir die Homepage der Ärztin genauer an. Ja, dort hätte ich schon Hinweise darauf finden können, dass es sich hier um eine spirituell angehauchte Praxis handeln könnte. So setzt die Allgemeinmedizinerin laut eigenen Angaben einen Fokus auf die Seele, esoterisch angehauchte Zitate auf der Website inklusive. Einer ihrer Schwerpunkte ist die ganzheitliche Medizin. Im Text zur Unternehmensphilosophie geht es zum Beispiel um das Selbstkonzept des Patienten.
Zugegeben, das ist für mich normalerweise ein Grund, als Patientin Lebwohl zu sagen. Doch immerhin war die Ärztin dazu in der Lage gewesen, im Laufe unseres Gesprächs umzuswitchen und auf meine Bedürfnisse einzugehen. Also dachte ich „Leben und Leben lassen“ und war noch zwei weitere Male in ihrer Praxis, das war allerdings vor der Pandemie.
Und dann erfuhr ich aus der Zeitung, dass es sich bei Frau Dr. Schmidt mittlerweile leider um eine Corona-Leugnerin handelt. Das überraschte mich dann doch. Bei einem Polizei-Einsatz hatten sowohl Personal als auch einige Patienten keine Maske aufgehabt. Auch gegenüber den Polizisten habe die Ärztin keine Einsicht darüber gezeigt, dass in Deutschland eine Pandemie herrscht. Entsprechende Broschüren seien außerdem in der Praxis ausgelegt gewesen. Ein Verfahren läuft bereits.
Dass jeder Deckel seinen Topf findet, zeigen die Google-Rezensionen zu Frau Dr. Schmidt und ihrer Praxis ganz gut. Viele Bewertungen sind durchweg positiv: So wird etwa die „ganzheitliche Sichtweise“ gelobt, denn die Ärztin sehe „den ganzen Patienten“. Es sei schrecklich, dass die Medizinerin wegen ein paar Broschüren angegriffen werde, kritisiert eine Person. Eine andere wünscht der Ärztin „Licht und Liebe“. Doch es gibt auch negative Kommentare. Eine Person fühlte sich bei ihrem Arztbesuch „wie im Mittelalter“, jemand anderer berichtete, dass die Ärztin sie vor der Corona-Impfung gewarnt habe.
Nun gut, Frau Dr. Schmidt scheint schon mal keine Anlaufstelle zu sein, wenn es um meine Erstimpfung gegen COVID-19 geht. Und auch sonst sehe ich für uns beide keine Zukunft. Fazit: Ich brauche einen neuen Hausarzt – und zwar dringend.
Die Verfasserin ist der Redaktion bekannt und möchte anonym bleiben.
Bildquelle: Xavi Cabrera, unsplash