In einigen Astra-Impfstoff-Chargen wurden Verunreinigungen nachgewiesen. Das sorgt für Unsicherheit: Können dadurch schwere Nebenwirkungen auftreten? Jetzt melden sich Wissenschaftler zu Wort.
Letzte Woche sorgte das Preprint einer Ulmer Forschergruppe für Aufsehen. Sie hatten in drei Chargen des AstraZeneca-Impfstoffs zahlreiche Verunreinigungen nachgewiesen (wir berichteten). Darunter befanden sich sowohl humane, als auch virale Proteine, die nicht Teil des Schimpansen-Adenovirusvektors sind.
Sogleich wurde spekuliert, dass diese Verunreinigungen möglicherweise schuld seien an den Vakzin-induzierten immunogenen thrombotischen Thrombozytopenien (VITT). Die Hypothese für die Ursache des VITT beinhaltet die mögliche Bildung von Autoantikörpern gegen den Plättchenfaktor 4 (PF4), was eine Immunkaskade auslöst und zur Thrombosebildung mit Thrombozytopenie führt. Unklar ist aber nach wie vor, welcher Bestandteil im Fall einer Impfung mit PF4 letztlich einen Komplex bilden könnte.
Wissenschaftler warnen jetzt vor voreiligen Schlüssen. Transfusionsmediziner Prof. Andreas Greinacher, der VITT mit seinem Team erstmals beschrieben hatte, erklärt: „Was die menschlichen Proteine angeht, die in den Impfstoffen gefunden werden, sind wir erst gerade auf der Spur zu verstehen, inwiefern diese auch an der Komplexbildung beteiligt sein könnten. Das ist nicht abwegig, muss aber weiter untersucht werden.“
Laut Virologe Prof. Friedemann Weber „ist noch überhaupt nicht geklärt, ob das jetzt schlimm ist oder nicht.“ Unklar sei etwa, ob der „Beifang“, der beim Aufreinigen gefunden wurde, nicht normal ist – dafür fehle in der Studie die Kontrolle mit anderen Vektor-Impfstoffen.
Insgesamt hatten die Ulmer Forscher knapp 1.000 verschiedene humane Peptide ausfindig machen können. Einen hohen Anteil machten Hitzeschockproteine (HSP) aus. Das sind mit die häufigsten Proteine im Zytosol, die eine wichtige Rolle bei der Proteinfaltung und der Stabilisierung von Proteinen in zellulären Stresssituationen spielen. Sie schützen Proteine unter anderem vor Denaturierung und Aggregation.
Auch unter normalen Bedingungen werden von Zellen geringe Mengen an Hitzeschockproteinen gebildet, die als so genannte Chaperone an der korrekten Faltung und Reifung von Proteinen beteiligt sind.
„Viruspartikel enthalten eigentlich immer auch Wirtsproteine“, so Friedemann. Bei Lassa-Viren etwa sind HSPs die wichtigsten Wirtsproteine. Möglicherweise könnten einige Wirtsproteine den Viren sogar bei der Infektion behilflich sein.
„Es kann sich hier um ein Problem handeln, muss aber nicht“, resümiert Wiedemann. „Viren sind ‚schmutzig‘ und es ist weder klar, ob der ‚Beifang‘ ein Problem ist oder gar hilfreich, noch ob es einen Zusammenhang mit den Komplikationen gibt. Selbstverständlich sind Kontaminationen aber abzuklären.“
Auch Prof. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie, Philipps-Universität Marburg, sieht keinen Grund zur Sorge: „Überflüssige Proteine sollen bei der Aufreinigung von Impfstoffen natürlich abgereichert werden, doch ein Impfstoff lässt sich auch nicht unbegrenzt aufreinigen.“ Die Aufsichtsbehörden kennen die Daten der Pharmahersteller und es gebe zudem Richtlinien für die Menge an Fremdproteinen in Impfstoffen, so Becker weiter. „Da die Daten von AstraZeneca diesbezüglich offenbar durchgewunken wurden, hätte ich hier keine Bedenken.“
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