Sind Long-Covid-Symptome nur mit schweren Verläufen verbunden oder trifft es auch Patienten mit mildem Verlauf? Zeit für einen Daten-Check.
Post-Covid-Syndrom (PCS), auch Long Covid genannt, ist eine mögliche Folge einer COVID-19-Erkrankung. Kleine Studien legen nahe, dass einige COVID-19-Überlebende kurz und langfristige klinische Folgen entwickeln. Nur wenige Studien haben jedoch das übermäßige Risiko dafür über die anfänglich akute Erholungsphase hinaus untersucht.
Meist werden dabei Patienten außer Acht gelassen, die lediglich einen milderen Krankheitsverlauf erlitten. Die Forscherteams der Infektiologie der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät veröffentlichten in The Lancet Regional Health eine Studie, die sich genau mit dieser Thematik befasst.
„Wir haben dafür die Daten von knapp 1.000 Patientinnen und Patienten mit überwiegend milden COVID-19-Verläufen ausgewertet, die wir für die Studie durchschnittlich sieben Monate in maßgeblicher Kooperation mit dem Institut für Virologie der Uniklinik Köln begleitet haben. Ein erfahrener Arzt überprüfte bei jedem Besuch kritisch die berichteten Symptome der Patienten. Wir haben bei jedem Besuch die Antikörper (SARS-CoV-2-IgG) bestimmt, um die berichteten Symptome mit dem Labor-Daten in Verbindung zu bringen“, erklärte Dr. Max Augustin, Assistenzarzt in der Infektiologie und Autor des Artikels.
In den vier Folgemonaten nach Infektion berichteten 8,6 % der Patienten über Kurzatmigkeit, 12,4 % über Geruchsstörung, 11,1 % über Geschmacksverlust und 9,7 % über ungewohnte Müdigkeit. In diesen Monaten trat mindestens eines der Symptome bei 28,0 % der Patienten auf. Bereits nach 7 Monaten stieg der Anteil auf 35,0 %.
Dabei waren ein niedrigerer Ausgangswert von SARS-CoV-2-IgG, Gerruchsstörung und Durchfall während der akuten COVID-19-Phase mit einem höheren Risiko für die Entwicklung von Long Covid verbunden. Bei den biologischen Geschlechtern konnte Frau Professor Dr. Clara Lehmann, Leiterin der Infektionsambulanz der Uniklinik Köln und Verantwortliche für die Studie, ebenfalls Unterschiede erkennen: „Frauen waren in unserer Untersuchung mehr als doppelt so häufig von Post-COVID betroffen als Männer.“
In einer amerikanischen retroperspektiven Studie wurden Unterlagen der Krankenversicherungen zu etwa 270.00 Erwachsenen mit diagnostizierter COVID-19-Infektion zwischen 18 und 65 Jahren darauf untersucht, ob bei diesen Personen bis zu sechs Monate nach der Erstinfektion mindestens eine von 50 Erkrankungen diagnostiziert wurde. Diese Daten wurden mit zwei Vergleichsgruppen ausgewertet, bei denen es sich um Personen ohne COVID-19-Infektion des Jahres 2019/2020 handelte und einer Gruppe, die an einer anderen viralen unteren Atemwegsinfektion erkrankt war.
Die Ergebnisse zeigten, dass etwa jeder Siebte (14 %) der mit COVID-19 infizierten Erwachsenen mindestens eine neue Erkrankung entwickelte, die nach der akuten Krankheitsphase ärztliche Hilfe erforderte. Dies war 5 % höher als in der Vergleichsgruppe 2020 und 1,65 % höher als bei Personen, bei denen eine virale Erkrankung der unteren Atemwege diagnostiziert wurde. Das Risiko in den vier Monaten nach der akuten Phase bestimmte Erkrankungen wie chronische Ateminsuffizienz, Herzrhythmusstörung, Amnesie, Diabetes, Angstzustände und Müdigkeit zu entwickeln, war somit höher als in den Vergleichsgruppen.
Das absolute Gesamtrisiko war laut Forschungsergebnissen zwar gering, blieb dabei bis zu sechs Monate nach der Erstinfektion bestehen. Dabei stieg das Risiko mit dem Alter, den bereits bestehenden Bedingungen und der COVID-19-bedingten Krankenhauseinweisung an. Erwachsene unter 50, Personen ohne Vorerkrankungen und Personen, die sich zu Hause erholten, waren dennoch einige Monate nach der Erstinfektion einem Risiko für neue Erkrankungen ausgesetzt, erklärten die Forscher.
In einem Review wurden 1.247 Studien zu persistierenden Symptomen nach einer COVID-19-Infektion, die zwischen 2020 und 2021 veröffentlicht wurden, durchsiebt. In den meisten Fällen wurden die Erkrankten ins Krankenhaus eingewiesen. Die Ergebnisse zeigten, dass im Mittel etwa 72,2 % der untersuchten Personen mindestens eines der persistierenden Symptome nach der Erkankung entwickelt hatten. Am häufigsten traten Atemnot oder Kurzatmigkeit (36 %), übermäßige Müdigkeit (40 %) und Schlafstörungen oder Hyposomnie (29,4 %) auf.
Dabei ist zu betonen, dass in allen Untersuchungen unterschiedliche Studiendesigns und Qualitätsstandards angewandt wurden, die einen erheblichen Einfluss auf die Aussagekraft und Interpretation der Ergebnisse ausübte. Durch die Unterschiede in Untersuchungsgesamtheit, Definition von Zeitpunkt null, Länge des Untersuchungszeitraums und der Ergebnisdefinition war auch die direkte Vergleichbarkeit limitiert.
„Es ist auf jeden Fall noch zu früh, um Aussagen darüber zu treffen, wie lange die klinischen Folgen nach COVID-19 anhalten werden. Dennoch stellen bereits diese Folgeerscheinungen für viele Menschen eindeutig eine große persönliche Belastung dar“, sagt Elaine Maxwell vom National Institute for Health Research. Außerdem differenzieren sich die Risikofaktoren von verschiedenen neuen Diagnosen, was die Versuche behindere, Vorhersagen zum Auftreten bestimmter Symptome zu treffen. „Experten des Gesundheitswesens sollten sich der Möglichkeit von long-COVID bei Jedem, der bestätigt oder möglicherweise an COVID-19 leidet, bewusst sein. Wie diese Folgeschäden zu behandeln sind, ist jetzt eine dringende Forschungspriorität“, so Maxwell.
„Wir glauben, dass unsere Ergebnisse wichtige Folgen für die Bereiche Infektionskrankheiten und öffentliche Gesundheit haben. Denn wir zeigen in der jetzt veröffentlichten Studie, dass langfristige gesundheitliche Folgen auch nach sehr mildem COVID-19 im ambulanten Umfeld auftreten können. Da bis zu 81 Prozent aller mit SARS-CoV-2-infizierten Patienten eine milde Erkrankung aufweisen, ist zu erwarten, dass PCS eine größere Anzahl von Personen betreffen wird als ursprünglich angenommen, was vermutlich große medizinische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringen wird“, fasste Professor Lehmann zusammen.
Bei den Studien handelt es sich vermehrt um deskriptive Studien. Auch die Auswahl der Probanden und der Größe variiert stark voneinander und bezieht nicht immer alle sozialen Schichten ein. Insbesondere in der amerikanischen Studie, die sich nur mit krankenversicherten Probanden befasst hat. Dennoch wird deutlich, dass unabhängig voneinander ähnliche Ergebnisse erzielt wurden. Die Studien bekräftigen, dass ein erhöhtes Risiko für PCS bei einer zurückliegenden COVID-19-Infektion besteht, auch bei jüngeren und milden Symptomen.
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