Bestimmte autoaggressive Immunzellen verursachen offenbar Leberschäden. Diese Erkenntnis könnte in Zukunft verhindern, dass sich bei Fettleber-Patienten schwere Leberschäden entwickeln.
Fettleibige Menschen zeigen häufig Anzeichen für eine Leberverfettung, die Entzündungen, wie eine Nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH), nach sich ziehen. Die Betroffenen gelten dann als besonders gefährdet, an Leberfibrosen, einer lebensbedrohliche Leberzirrhose oder Leberkrebs zu erkranken.
Bei der Immunüberwachung des Körpers übernimmt die Leber eine wichtige Funktion: Sie stellt die vorderste Abwehr-Front gegen alle mikrobiellen Bestandteile oder Nahrungsmitteltoxine dar, die aus dem Darm über die Pfortader in den Körper gelangen. Dazu patrouillieren verschiedene Immunzellen durch die Leber.
„Wir wollten wissen, welche Immun- bzw. Entzündungszellen in der Leber eine NASH und die damit verbundenen Gewebeschädigungen antreiben“, sagt Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Gemeinsam mit Kollegen aus Israel ging er nun dieser Frage nach.
Dazu analysierten die Forschergruppe, wie die Zusammensetzung der Immunzellen in der Leber mit dem Grad der NASH-bedingten Gewebeschädigung zusammenhängt. So konnten sie einen bestimmten Typ von Immunzellen identifizieren, der das Fortschreiten der Erkrankung fördert – sowohl in Mäusen als auch beim Menschen.
Um das Immunsystem bei NASH zu untersuchen, fütterten die Wissenschaftler*innen Labormäuse mit einer Diät, der es an essentiellen Nährstoffen mangelte, die aber mit Fett und Cholesterin angereichert war – vergleichbar mit Junk Food – und beobachteten die Entwicklung von NASH.
Dabei untersuchten sie die Leber-Immunzellen per Einzelzell-RNA-Sequenzierung und fanden heraus, dass sich bei NASH ein bestimmter Zelltyp, die dendritischen Zellen vom Typ 1 (cDC1), in außergewöhnlich hoher Zahl in der Leber ansammelt. Auch in Gewebeproben, die Patienten bei Leberbiopsien entnommen wurden, zeigte sich: Je höher die Anzahl der cDC1, desto stärker ausgeprägt waren die NASH-typischen Leberschäden.
Um zu klären, ob cDC1 nun tatsächlich einen Effekt auf die Leberpathologie hat, untersuchten die Forschenden die Mäuse, denen genetisch bedingt cDC1 fehlte. Außerdem blockierten sie bei weiteren Tieren cDC1 in der Leber durch spezifische Antikörper. In beiden Versuchsansätzen war niedrigere Aktivität der cDC1 mit einer Linderung der Leberschäden verbunden.
Normalerweise überleben dendritische Zellen nur wenige Tage und müssen laufend vom Immunsystem ersetzt werden. Das Forscherteam entdeckte nun, dass die NASH-bedingten Gewebeschäden das blutbildende System im Knochenmark modulieren, so dass sich die Vorläufer der cDC1 häufiger teilen und mehr Nachschub bilden.
Bei einer normalen Immunreaktion suchen dendritische Zellen die Organe nach immunologischen Auffälligkeiten ab und wandern dann zu den benachbarten Lymphknoten, den Kommandozentralen der Immunreaktion, um diese Informationen an die T-Zellen weiterzuleiten.
Das deutsch-israelische Team konnte zeigen, dass die cDC1 bei einer NASH in den für die Leber zuständigen Lymphknoten T-Zellen zu entzündlichem und aggressiveren Verhalten anstiften, das Leberschäden verursacht und die Erkrankung verschlimmert. „Diese autoaggressiven T-Zellen konnten wir erst vor kurzem als verantwortlich für die Leberschädigung bei einer NASH identifizieren – nun überblicken wir auch, wer sie zu diesem schädlichen Verhalten antreibt“, sagt Heikenwälder.
Nachdem sich die cDC1 als wichtiger Akteur beim Voranschreiten der NASH herausgestellt haben, könnte eine gezielte Manipulation dieser Zellen einen neuen Weg darstellen, die Leberentzündung und ihre schwerwiegenden Folgen zu behandeln. „Wir erkennen immer besser, dass bestimmte Zellen des Immunsystems an der Entstehung verschiedener Krankheiten beteiligt sind, darunter Krebs, Fettleibigkeit, Diabetes oder Alzheimer. Die Medizin verfolgt daher zunehmend Ansätze, das Immunsystem zu modulieren und mit Wirkstoffen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Ein solcher Ansatz könnte auch funktionieren, um bei NASH-Patienten schwere Leberschäden zu vermeiden“, erklärt Heikenwälder.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Pruthvi Sagar A R, Unsplash