Eine MDMA-gestützte Psychotherapie könnte es durchaus mit bisherigen Therapieformen und Antidepressiva aufnehmen. Das Besondere: Mit Expositionstherapie hat der neue Ansatz nichts zu tun.
Die Kombination eines bewusstseinsverändernden Arzneimittels mit gleichzeitiger Betreuung durch einen ausgebildeten Therapeuten ist eine immer beliebter werdende Therapieform. In einer Phase-3-Studie konnte dabei der Einsatz von 3,4-Methylendioxymethamphetamin (MDMA), auch bekannt als Ecstasy, die Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mildern. Dies sei ein Meilenstein bei den Bemühungen, Psychedelika in Standardbehandlungen umzuwandeln, erklären die Studienautoren in ihrem Bericht.
Die von der gemeinnützigen Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) finanzierte Studie wurde nun in Nature veröffentlicht. Darin heißt es, dass zwei Drittel der behandelten Probanden nach „MDMA-unterstützter Therapie“ die diagnostischen Kriterien für PTBS nicht mehr erfüllten. Geplant ist nun, die Ergebenisse in einer zweiten Studie zu bestätigen, sodass bereits 2023 eine Genehmigung für die Therapie bei der US-amerkianischen Food and Drug Administration (FDA) eingeholt werden kann.
Die Studie umfasste 79 Teilnehmer, an denen drei 90-minütige Therapiesitzungen unterzogen wurden. Zusätzlich wurden drei 8-stündige „experimentelle Sitzungen“ mit MDMA oder Placebo durchgeführt, die jeweils einen Monat auseinander lagen. Außerdem erhielten die Patienten neun 90-minütige „Integrationssitzungen“, um ihre Erfahrungen zu verarbeiten.
67 % der 42 der Probanden, die MDMA erhielten, wiesen bereits 2 Monate nach ihrer letzten experimentellen Sitzung nicht mehr die diagnostischen Kriterien für PTBS auf. Zusätzlich wurden depressive Symptome in der MDMA-Gruppe gemildert. In der Placebogruppe lag die Verbesserungsrate bei 32 % und war vergleichbar mit Forschungsergebnissen, die bereits in Studien zu bestehenden Therapieformen wie der Expositionstherapie oder kognitiven Verhaltenstherapie beobachtet wurden.
Mit diesem Ansatz sollte ein synergistischer Effekt durch die Kombination aus Gesprächstherapie und Psychedelika erzielt werden. „Es ist nicht klar, welche Rolle MDMA oder ein anderes Psychedelikum bei der Erleichterung der Psychotherapie spielt und was neurobiologisch geschieht“, sagt Atheir Abbas, Neurowissenschaftler und Psychiater an der Pregon Health & Science University. Da der Einsatz von psychedelischen Substanzen zu negativen Erlebnissen führen kann, „ist ein geführter, psychotherapeutisch orientierter Ansatz wahrscheinlich gerechtfertigt“, so Abbas. „Es ist jedoch unklar, welche Aspekte dieser Anleitung kritisch sind.“
Eine Zulassung in Kombination mit einer sorgfältigen Überwachung durch Therapeuten könnte dazu beitragen, den Ruf als illegale Substanz und die Angst vor dem Gebrauch zu verringern. „MAPS hat sich sehr gut geschlagen, um wirklich zu betonen, dass sie nicht nur versuchen eine Droge anzupreisen“, sagt Rachel Yehuda, Leiterin des Zentrums für psychedelische Psychotherapie und Traumaforschung an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai.
MDMA produziere dabei keine eindringlichen Halluzinationen wie LSD oder Psilocybin. Es steigere die vermehrte Ausschüttung von Serotonin und in Teilen von Dopamin und Adrenalin, sodass ein erhöhtes Wohlseinsgefühl und Einfühlungsvermögen entstehen. Betroffene können dadurch womöglich besser über traumatische Erlebnisse reflektieren ohne Angstzuständen ausgesetzt zu sein.
Die in der Studie angewandte Psychotherapie unterscheidet sich im Wesentlichen von der ursprünglich angewandten Psychotherapie: Normalerweise werden die Patienten dazu angewiesen, sich ihren schmerzhaften Erinnerungen zu stellen, was sehr belastend sein kann. Der Ansatz, der laut der Anleitung der MAPS erfolgt, soll „die Selbstentfaltungserfahrung des Teilnehmers unterstützen“. Es empfiehlt dabei Umgebungen mit „frischen Blumen und Kunstwerken“. Somit soll der Patient möglichst wenig Belastung ausgesetzt sein und gleichzeitig Erfolge erzielen.
Yehuda ist der Meinung, dass einige Patienten durch die bisher angewandte Expositionstherapie und kognitive Verhaltenstherapie traumatisiert werden könnten oder die Behandlung abbrechen. Mit der untersuchten Art von Behandlung könne hingegen eine neue Richtung eingeschlagen werden. Eine Studie wies bereits darauf hin, dass etwa die Hälfte der Patienten nach Behandlung noch Symptome für PTBS aufweisen und etwa 25 % die Behandlung abbrechen. Forscher haben sich mit diesem Thema zur kognitiven Verhaltentherapie auseinandergesetzt und kamen zu dem Schluss, dass neben anderen Prioritäten und Verpflichtungen, die fehlende Verbesserung Grund zum Abbruch sei.
Um eine tatsächliche Anwendung zu erzielen, müsse die MDMA-gestützte Therapie in klinischen Studien mit bereits etablierten Psychotherapien und den bereits für PTBS zugelassenen Antidepressiva untersucht werden, damit sie als alternativer Ansatz angewandt werden könne, so Arash Javanbakht, Leiter der Forschungsklinik für Stress, Trauma und Angst an der Wayne State University.
Ein Punkt, den es hier zu berücksichtigen gilt: 79 Probanden sind nicht besonders viel. Auch wenn die klinische Phase-3-Studie vielversprechend klingt, sind mögliche neurotoxische Folgen oder kognitive Beeinträchtigungen bei einer Dosierung und Anwendung zu berücksichtigen. Weitere Studien zu Langzeitfolgen und Erfolgen müssen durchgeführt werden, bis es zu einem therapeutischen Einsatz kommen kann.
Die Untersuchung solcher Substanzen ist dennoch nicht uninteressant, insbesondere in Bezug auf die Annehmlichkeit im Patienten. Womöglich könnte die negative Konnotation, die mit psychedelischen Substanzen verbunden ist, sich in weiterer Zukunft ändern. Auch Psilocybin, der psychedelische Inhaltsstoff sogenannter magic Mushrooms, wird in Augen der Forschung immer interessanter, insbesondere im Einsatz gegen Depressionen, wie ein bei uns kürzlich erschienener Artikel beschreibt.
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